SyltKrimi, Dünengrab Teil 15

In unserem Fortsetzungskrimi geht es heute mit Teil 15 von Dünengrab weiter.  Hier startet der Fortsetzungskrimi.

Lautes, metallenes Klopfen riss Bente aus dem Schlaf. Ulrike war sofort an der Tür und bellte kurz.

Bente brauchte einen Moment, um sich zu orientieren.

Das spartanische Dienstzimmer in dem Containerbau. Sie verbrachte bereits die zweite Nacht hier.

»Frau Brodersen?«

Sie hielt sich den Kopf. Er pochte. Warum hatte sie zwei Gläser Wein getrunken?

»Frau Brodersen?« 

Das Klopfen wurde lauter.

»Ja, Moment!«, rief sie und hoffte, dass das Klopfen aufhörte. Die Schmerzen hinter ihrer Schläfe waren fies. Sie hätte es besser wissen müssen. Rotwein war für sie wie flüssiges Kopfweh!

Schlaftrunken ging sie die zwei Schritte zur Tür und öffnete sie einen Spalt.

»Wir haben einen Notruf erhalten. Im Haus der Larsens schreit jemand um Hilfe!«, berichtete der Kollege aus der Nachtschicht.

»Eine Streife ist schon unterwegs. Ich dachte, sie sollten das wissen.«

»Auf jeden Fall! Danke.«

Binnen einer Minute stand sie angekleidet im Minibad und gurgelte mit einer Mundspülung.

Im Laufen zog sie ihre Jacke über. Ulrike folgte ihr schwanzwedelnd.

Als sie draußen vor dem Bulli stand, spuckte sie die grüne Flüssigkeit aus, öffnete die Schiebetür und ließ Ulrike hineinspringen.

Vom Klopfen an ihrer Tür bis zum Starten des Motors waren keine 2 Minuten vergangen.

»Ich hab doch gesagt, die bringen sich noch alle gegenseitig um!«, murmelte sie Ulrike zu.

Als sie in den Wattweg einbog, erkannte sie in der mondlosen Nacht bereits das blaue Licht des Einsatzwagens.

Quer auf der Auffahrt brachte sie den Bulli zum Stehen. Zwei Kollegen kamen von jeweils einer Ecke des Hauses auf sie zu gerannt.

»Was ist los?«, keuchte Bente.

»Eine Frau soll um Hilfe gerufen haben. Das Haus ist dunkel, niemand öffnet und es ist vollkommen ruhig. Keine Einbruchspuren an Türen und Fenstern.«

Bente sah sich um. Svea Larsens SUV stand vor der Garage, vor der Haustür immer noch der bunte Motorroller.

Sie starrte auf das dunkle Haus.

»Aufbrechen!«

»Was? Sicher?« 

Einer der Kollegen sah sie fragend an.

Bente nickte. Nicht nur das Haus war dunkel, auch die Außenbeleuchtung war aus. Keiner der Bewegungsmelder, die vor der Garage, der Auffahrt und der Haustür angebracht waren, war angegangen. Dagegen war die Haustür des Nachbarhauses beleuchtet. Das war kein Stromausfall!  Hier stimmte etwas nicht!

»Treten Sie die verdammte Tür ein!«, befahl sie.

»Die lässt sich nicht eintreten!«, sagte der Beamte und zeigte auf die solide, doppelflügelige Eichenholztür.

»Dann die Terrassentür! Los, machen Sie schon!«

Er sprintete zum Streifenwagen, nahm einen Klappspaten aus dem Kofferraum und rannte hinter Bente her zur Rückseite des Hauses.

Nach wenigen Schlägen ging das Glas klirrend zu Bruch und während der Kollege noch die scharfen Kanten aus dem Rahmen schlug, schlüpfte Bente ungeduldig durch das Loch.

»Hallo? Hier ist die Polizei!«

Niemand hatte auf das Klopfen, Klingeln und die zerbrochene Terrassentür reagiert, also erwartete sie keine Reaktion.

Sie drehte sich zu den beiden Kollegen um.

»Einer von Ihnen sucht den Sicherungskasten. Offensichtlich ist der Strom unterbrochen. Durchsuchen Sie das Erdgeschoß, ich gehe hoch!«

Bente nahm die Treppe ins Obergeschoß. Wieder fiel ihr die knarzende Stufe auf.

Sie warf einen Blick ins Kinderzimmer, ließ den Lichtkegel der Taschenlampe wie einen Suchscheinwerfer umherschweifen.

Die nächste Tür führte ins Schlafzimmer von Svea Larsen. Der helle Lichtstrahl durchschnitt die Dunkelheit.

Im nächsten Moment stockte ihr der Atem.

»Zwei Beine am Boden hinter dem Bett. Rettungswagen, sofort!«, schrie sie hinunter und hörte zwei Sekunden später das Knacken des Funkgerätes.

Sie stürmte auf das Bett zu. Dort lag Svea Larsen. Um ihren Hals lag eine Seilschlinge.

Bente legte zwei Finger an die Halsschlagader und hoffte, einen Puls zu fühlen.

»Bitte!«, flüsterte sie.

Nichts. Kein Lebenszeichen.

Ein Kollege trat zu ihr und das Licht ging an.

Bente kniete neben der leblosen Svea Larsen.

»Wieso ruft jemand bei einem Selbstmord um Hilfe?«, fragte der Beamte.

Ein Blick durch das Zimmer reichte Bente, um es sofort zu wissen.

»Das war kein Selbstmord!«

Der Nachttisch neben dem Bett war verrückt, die Lampe lag auf dem Boden neben einem Handy.

Ihr Blick fiel auf einen Stofflappen am Fußende des Bettes. Sie schob die Taschenlampe unter das Tuch, hob es an und roch daran.

Der süßliche Duft von Chloroform stieg ihr in die Nase und sie wandte schnell den Kopf ab.

Während sie von Weitem die Sirene des Rettungswagens hörte, griff sie fast automatisch nach ihrem Handy.

»Brodersen hier. Flackner?«

Ihr ehemaliger Kollege hatte offenbar Bereitschaftsdienst.

»Jo!«

»Wir haben einen Mord im Larsenhaus. Ich brauche das gesamte Programm und zwar sofort!«

Ihre Stimme klang ganz anders, als Flackner es gewohnt war. Nicht fordernd und keinen Widerspruch duldend, sondern traurig und niedergeschlagen. 

»Es ist Mitternacht, aber wir machen uns sofort auf den Weg. Alles in Ordnung mit dir?«

Sie fühlte sich alles andere als in Ordnung. Tief im Inneren machte sie sich Vorwürfe. Sie hätte Svea Larsen retten müssen!

Aber wie?

Hansen hatte recht gehabt. Polizeischutz wäre nie und nimmer genehmigt worden, dafür waren die Indizien nicht ansatzweise ausreichend gewesen.

»Nein, nichts ist in Ordnung. Hier ist gerade die Mutter eines dreijährigen Mädchens ermordet worden und ich habe es kommen sehen.«

Am anderen Ende der Leitung war es still. Flackner schwieg. Manchmal war es besser, nichts zu sagen und nur zuzuhören.

»Ich hatte es im Gefühl! Ich hätte mich selbst vor das Haus stellen müssen, wozu habe ich einen Campingbus?«

Plötzlich schrie ein Kollege aus dem Erdgeschoss:

»Halt! Stehenbleiben! Polizei!«

Bente drückte Flackner im Laufen weg und rannte die Treppenstufen hinab.

»Jemand ist aus der Gästewohnung in den Garten gerannt.«, rief der Kollege.

Ein Aufschrei drang aus einiger Entfernung zu ihnen durch den Sturm.

Zu dritt liefen sie hinaus in den Garten.

Die Taschenlampenkegel tanzten wie verirrte Nebelsuchscheinwerfer umher.

Die Sicht endete nach wenigen Metern in der Schwärze der Nacht.

»Haben Sie die Person erkannt? Männlich oder weiblich?«

Der Kollege schüttelte den Kopf.

»Sperren Sie den Dünenweg ab! Sperren Sie Kampen und die ganze Insel ab! Ich will, dass jeder kontrolliert wird, der auf den Zug, eine Fähre oder ein Segelboot steigt!«

»Nach wem suchen wir?«

»Benno Larsen!«

Bentes Stimme war hasserfüllt.

»Sie gehen zurück ins Haus und beordern jeden Kollegen her, egal ob Wochenende oder nicht! Und Sie kommen mit mir!«

Sie verteilte die Aufgaben mit einem Blick in die beflissenen Gesichter der beiden.

»Er kann ja noch nicht weit sein!«

Sie ging voraus durch den Garten in Richtung Dünenweg.

Der Wind zerrte an ihrer Jacke. Sie spürte die nasse Kälte.

Wenn es nicht Benno Larsen war, dann käme nur Juliette in Frage, aber so, wie es momentan aussah, hatte Larsen beide Frauen auf dem Gewissen.

Sie rief sich das Bild aus dem Schlafzimmer mit dem Leichnam in Erinnerung.

Svea Larsen war offensichtlich stranguliert worden. Der Strick lag noch über dem offenen Dachgebälk.

Hatte er sie tatsächlich eiskalt an dem Strick hochgezogen? Wie kaltblütig musste man sein, um der Mutter seines Kindes beim langsamen, qualvollen Sterben zuzusehen?

Konnte es sich um eine Beziehungstat im Affekt handeln?

Nein, dieser Mord war geplant worden! Das mitgebrachte Seil, das Chloroform und die ausgeschalteten Sicherungen sprachen eine deutliche Sprache.

»Sie und Ihr Kollege haben das Haus umrundet, bevor ich eingetroffen bin?«

»Ja, wir haben alle Fenster und Türen auf Einbruchspuren untersucht!«

Das heißt, wer auch immer Svea Larsen ermordet hat, muss einen Schlüssel haben!

Bente grübelte angestrengt, während sie durch die Dunkelheit stolperte.

Oder sie hat ihren Mörder hereingelassen!

Mit einem Mal trat sie unvermittelt ins Leere. Binnen Sekundenbruchteilen schoss das Adrenalin durch ihren Körper. Dann spürte sie den festen Griff ihres Kollegen an ihrem Oberarm.

»Das war knapp!«, keuchte der Beamte und hielt sie immer noch fest.

»Wer buddelt denn hier Löch…!«

Bente blieben die Worte im Hals stecken, als sie mit der Taschenlampe in das Loch leuchtete.

Einen Meter unter ihr strahlte der Lichtschein der Taschenlampe das blutüberströmte Gesicht von Benno Larsen an.

In Kooperation mit der Krimi-Autorin Krinke Rehberg präsentieren wir Ihnen den fesselnden Syltkrimi Dünengrab in mehreren Teilen. Jeden Samstag erscheint morgens ab 8.00 Uhr ein neuer Teil, des SyltKrimis. Lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sich mitreißen und verpassen Sie Woche für Woche keine Folge des SyltKrimis. Wir lesen uns am kommenden Samstag mit Folge 16 wieder. Titelbild: Unis Riba/Shutterstock.com

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