Samstag, Dezember 20, 2025

Wir schenken uns dieses Jahr nichts

Ein Satz, so optimistisch wie unrealistisch.

Der Vorsatz der aufgeklärten Erwachsenen

„Dieses Jahr schenken wir uns nichts.“
Das sagt man heute nicht mehr beiläufig, sondern mit Haltung. Fast demonstrativ. Es ist der Satz von Menschen, die glauben, sie hätten Konsum, Erwartungen und familiäre Rituale inzwischen im Griff.

Man sagt ihn früh.
Man sagt ihn überzeugt.
Und man glaubt ihn – zumindest bis kurz vor Weihnachten.

Denn wer diesen Satz ausspricht, unterschätzt eine Sache zuverlässig: andere Menschen.

Warum nichts schenken nie nichts bedeutet

„Nichts“ ist kein klarer Begriff.
„Nichts“ ist Interpretationssache.

Für die einen heißt es: gar nichts.
Für andere: nichts Großes.
Für wieder andere: nichts – außer einer liebevollen Geste, die zufällig in Geschenkpapier eingewickelt ist.

Und genau hier beginnt das Drama.

Während man selbst geschniegelt, geschniegelt und mit einer beneidenswerten Konsequenz leerhändig erscheint, sitzt einem plötzlich jemand gegenüber, der „nichts“ als Einladung verstanden hat, endlich einmal etwas wirklich Schönes zu schenken.

Die Prinzipientreuen: Moralisch überlegen, praktisch verloren

Sie haben Wort gehalten.
Keine Tüte. Kein Umschlag. Keine ironische Notlösung.

Sie stehen da mit der Haltung eines Menschen, der alles richtig gemacht hat – und merken in dem Moment, in dem ihnen ein Geschenk gereicht wird, dass Moral selten ein brauchbarer Ersatz für eine Schleife ist.

Sie bedanken sich höflich.
Sie lächeln.
Und sie schwören sich innerlich, nie wieder irgendetwas ernst zu nehmen, was am Küchentisch im November beschlossen wurde.

Die Schenker aus Leidenschaft: Ohne Geschenk kein Auftritt

Diese Menschen können nicht anders.
Schenken ist für sie keine Option, sondern Teil der Persönlichkeit.

Sie kommen nicht an. Sie inszenieren.
Das Geschenk ist vorbereitet, abgestimmt, häufig begleitet von einem Satz wie:

„Ich weiß, wir wollten nichts, aber…“

Dieses „aber“ ist entscheidend.
Es rechtfertigt alles.

Das Geschenk ist weniger ein Gegenstand als eine Aussage: Ich bin jemand, der gibt.

Die Überrumpelten: Nichts dabei, aber viel Gefühl

Es gibt sie, diese Momente, in denen jemand realisiert, dass er sich gerade in die ungünstigste aller Positionen manövriert hat: die des Beschenkten ohne Gegengabe.

Man sieht es im Gesicht.
Dieses kurze Zucken.
Die Suche nach Worten, die weder geizig noch peinlich klingen.

Versprochen wird in diesem Moment vieles:
Ein Essen. Ein Wochenende. Ein „wir holen das nach“.
Nichts davon ist gelogen. Aber auch nichts terminiert.

Und dann diese Geschenke

Die, bei denen man höflich nickt und innerlich versucht, eine sinnvolle Verwendung zu finden.

Man sagt:
„Interessant.“
Oder:
„Damit habe ich noch keine Erfahrung.“

Was man meint:
Das wird mich noch beschäftigen.

Doch auch hier gilt:
Nicht jedes Geschenk ist für den Alltag gedacht. Manche sind einfach nur ein Statement.

Was man in solchen Momenten wirklich sagt

Man sagt nicht:

  • „Das hätten wir doch lassen können.“
  • „Wir hatten doch etwas anderes vereinbart.“

Man sagt:

  • „Danke, das ist aufmerksam.“
  • „Ich habe mich wirklich gefreut.“

Nicht, weil es immer stimmt.
Sondern weil Höflichkeit eine Form von Stil ist.

Fazit: Nichts schenken ist ein Ideal – Schenken ein Instinkt

„Wir schenken uns dieses Jahr nichts“ ist der Versuch, Weihnachten zu rationalisieren.
Er scheitert zuverlässig.

Denn Schenken ist weniger Logik als Reflex.
Weniger Planung als Bedürfnis.

Vielleicht liegt die Lösung also nicht darin, sich nichts zu schenken.
Sondern darin, die Unterschiedlichkeit auszuhalten.

Und wenn am Ende jemand mit einem Reisegutschein vor einem steht?
Dann nimmt man ihn an.
Mit Haltung.
Und der festen Absicht, im nächsten Jahr wieder denselben Satz zu sagen.

Traditionen verdienen Respekt.

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Stefan Kny
Stefan Kny
Stefan Kny ist Verleger, Journalist und Chefredakteur. Auf syltexklusiv.com schreibt er mit Begeisterung über das, was ihn bewegt: von Ausstellungen und Autotests bis hin zu neuen Themenwelten, die auf Sylt beginnen – oder dort ihre ganz eigene Tiefe entfalten.
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