Mittwoch, Dezember 4, 2024
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SyltKrimi, Dünengrab Teil 7

In unserem Fortsetzungskrimi geht es heute mit Teil 7 von Dünengrab weiter.  Hier startet der Fortsetzungskrimi.

Ulrike lag unter dem Stehtisch und wartete darauf, dass etwas von der Pizza hinunterfiel.

Bente saß mit Heike Röder im Coprinos, einem Pizzaimbiss in fußläufiger Entfernung zur Wache.

»Also, wer ist unsere Juliette in Wahrheit?«

Bentes Tablet lag auf dem Tisch. Sie starrten beide auf das Foto des Reisepasses.

Was war der Grund für diese falsche Identität?

»Waren Sie lange bei der Mordkommission?«

Heike riss sie aus ihren Gedanken.

»Zu lange!«

Sie betrachtete die junge Polizistin in ihrer dunkelblauen Uniform und erinnerte sich an ihren eigenen Start bei der Polizei.

»Viele Kollegen älteren Semesters raten einem, sich versetzen zu lassen, wenn Mord den Alltag bestimmt.«

Sie rang sich ein ironisches Lächeln ab.

»Sind Sie deswegen hier auf die Insel gekommen?«

Mit einem stummen Nicken bejahte sie die Frage.

Heike biss genussvoll in die Pizza.

»Und du, wo willst du hin?«

»Ich wollte nie zur Kripo.«, antwortete sie kauend. 

»Ich will Familie und Kinder und dann nicht andauernd an Mord und Totschlag denken. Aber irgendwie bin ich hier gelandet!«

Das waren haargenau Hansens Ansichten. Ob er sie dahingehend geimpft hatte?

»Hast du Kinder?«

Bente bemerkte Heikes Unsicherheit, ob sie sie duzen sollte.

»Eine Tochter. Sie studiert in Hamburg.«

Sie wollte nicht weiter darauf eingehen. Ihre eigene Familie war an ihrer Arbeit zerbrochen und nun versuchte sie, mehr oder weniger erfolgreich, das Verhältnis zu Anka zu kitten.

 Sie war zu der Einsicht gelangt, dass Job und Persönlichkeit sich bedingten. Eine tiefsitzende Morbidität musste in ihr sitzen, ansonsten gab es keinerlei Grund, sich in die grausamen, menschlichen Abgründe zu begeben.

»Die Arbeit bei der Mordkommission ist etwas für Pessimisten!«

Heike blickte sie interessiert an.

»Wir gehen davon aus, dass Morde geschehen. Das ist unsere Daseinsberechtigung.«

»Aber ohne uns geht es doch auch nicht?«

»Natürlich nicht, aber wir warten auf das Verbrechen, den Mord, den Totschlag. Unsere Existenz wirkt nicht abschreckend und wir retten kein Leben.«

Ein Auge auf das Tablet gerichtet, fuhr sie fort:

»Wir gehen zur Mordkommission, weil wir davon überzeugt sind, dass die Welt schlecht ist!«

»Und ist sie es denn auch wirklich?«

Bente legte das Stück Pizza zurück auf den Teller und sah ihrer Kollegin fest in die Augen.

»Was denkst du?«

Heike überlegte ihre Antwort.

»Nein, ich glaube an das Gute im Menschen! Hört sich das naiv an?«

»Nein, es hört sich gut und richtig an!«

Zurückblickend suchte Bente nach dem Moment, wo sie den Glauben an die Menschheit verloren hatte und zur Pessimistin geworden war. Insgeheim wünschte sie sich Heikes Weltanschauung, aber dafür hatte sie einfach zu viel gesehen.

»Und ist sie nun schlecht?« 

Heike beharrte auf einer Antwort.

»Ja, leider. Aber nicht jeder muss sich damit auseinandersetzen!«

Schweigend aßen sie ihre Pizza.

»Wie kommst du zurecht mit dem alten Hansen?«

Heike grinste mit vollem Mund.

»Auf der Wache ist er so etwas wie eine Institution. Er ist kein wirklicher Miesepeter, aber auch kein Witzbold.«

»Hat er ein Problem mit Frauen im Polizeidienst?«

»Er macht keinen Hehl daraus, dass er das so sieht, aber ich denke, er hat sein Herz am rechten Fleck. Das ist doch schon mal was.«

»Stimmt!«

»Wie findest du ihn?«, fragte Heike interessiert.

Bente überlegte. Sie wollte nichts Falsches sagen, da auf Dienststellen mehr getratscht wurde als in Treppenhäusern und dies ihr erster Tag war.

»Ulrike mag ihn, das reicht mir vorerst!« 

Bente zuckte schmunzelnd die Achseln.

Heike lachte erleichtert auf. Offenbar mochte sie den alten Hansen wirklich.

»Schrecklich, dass sie vielleicht zweimal stirbt!«

»Was?«

Heike zeigte auf das Tablet.

»Für die Akten wäre sie dann zweimal gestorben.«

»Wie kommst du darauf, dass sie tot ist?«

»Na, irgendwie ist die Sache mittlerweile zu seltsam, als dass sich das alles als Missverständnis oder dummen Zufall herausstellt, oder?«

Heike hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund.

»Huch, war das jetzt zu pessimistisch?«

»Nein, eher realistisch!«

»Was glaubst du, was ihr zugestoßen sein könnte?«

»Ich habe mir zur Angewohnheit gemacht, erstmal gar nichts zu glauben, ansonsten verengt sich mein Horizont. Auch wenn beinahe 95 Prozent aller Morde aufgeklärt werden, so ist es in den seltensten Fällen so, dass sich der erste Verdacht bestätigt. Deshalb versuche ich, mich nicht dadurch beeinflussen zu lassen.«

»Weißt du, was man über dich sagt?«

Heike beugte ihren Oberkörper vor und flüsterte, als wollte sie ihr ein Geheimnis anvertrauen.

»Ich weiß, was die Kollegen sagen! Ich bin schwierig und das ist noch das Netteste, richtig?«

»Ja, auch, aber sie sagen, du bist wie dein Labrador. Du nimmst die Witterung auf, wühlst dich durch und findest zum Schluss immer den Knochen.«

Mit einem prüfenden Blick auf die immer noch pizzagierige Ulrike zog Bente ihre Mundwinkel nach oben.

»Das nehmen wir mal als Kompliment, was Ulrike?«

Heike knabberte die Pizzaecken fein säuberlich bis zu dem knusprigen Rand ab und ließ diesen auf dem Teller liegen.

»Weißt du, was noch eigenartig ist?«

»Mmmh?« 

Bente schüttelte mit vollem Mund den Kopf.

»Ihr Instagram- und Facebook Profil sind komplett leer. Keine Fotos, keine Posts oder sonst Privates. Als Wohnort ist Sylt angegeben. Das wars. Für eine 25-Jährige ist das ungewöhnlich.«

»Haben wir sonst etwas über sie?«

»Nichts.«

»Ich versuche morgen, die Au-pair-Agentur zu erreichen und außerdem muss irgendwo ein Führerschein existieren, schließlich fährt sie einen Motorroller.«

»Der ist auf Benno Larsen zugelassen!«, klärte Heike sie auf.

»Dann werden wir ihn fragen. Ein wunderbarer Grund, ihn aufzusuchen. Mal sehen, wie sein Anwalt reagieren wird?«

»Hat sie oder er den Anwalt eingeschaltet?«

»Das weiß ich noch nicht. Allerdings bezweifle ich, dass der Anwalt auch nur im Ansatz kooperativ ist. Wie sieht es mit Videoüberwachung aus?«

»Hier auf Sylt sind die Innenstadt, der Bahnhof und einige Parkplätze videoüberwacht. Viele private Wege wurden ebenfalls überwacht, aber dagegen sind vor einigen Jahren die Datenschützer vorgegangen. Seitdem sind viele Kameras entfernt worden. Allerdings haben viele Restaurants und Ferienwohnanlagen Kamerasysteme installiert, aus versicherungstechnischen Gründen.«

»Können wir uns die Bahnhofaufnahmen ansehen?«

»Ich rede mit Hansen! Sorry, Bente, ich muss ins Bett, sonst schaff ich morgen die Frühschicht nicht!«

Heike unterdrückte mühsam ein Gähnen.

»Alles gut, wohnst du hier in Westerland?«

»Ja, 5 Minuten mit dem Rad!«

»Dann bringen Ulrike und ich dich bis vor deine Tür, wenn du nichts dagegen hast!«

»Hab ich nicht!«, grinste sie.

Anka war zwar im gleichen Alter wie Heike, aber ein so offenes Gespräch hatte sie mit ihrer Tochter lange nicht geführt.

Auf dem Rückweg von Heikes Wohnung zur Wache nahm Bente den Umweg über den Strand. Der Wind peitschte die Nordsee auf. In der Luft war das Salz zu spüren. Bente zog den Kragen ihrer Jacke hoch und schnalzte zweimal. Das war das Kommando für Ulrike, vorauszulaufen. Ihr machte das Schietwetter nichts aus. Sie lief schnüffelnd durch den Sand.

Bentes Gedanken schweiften zu Benno Larsen. Konnte es sein, dass er Juliette aus dem Weg geschafft hatte, weil sie von ihm schwanger war?

Lisa Sellering hatte eine komplett andere Wahrnehmung der Beziehung zwischen Juliette und den Larsens.

Es lag in der Natur des Menschen, die Umgebung subjektiv wahrzunehmen, aber hier waren die Aussagen der drei Befragten so unterschiedlich, dass etwas nicht stimmen konnte.

Svea Larsen hatte das enge, familiäre Verhältnis betont, Lisa Sellering dagegen hatte den Eindruck geäußert, dass das Mädchen sich in die Familie geschlichen hatte.

Was hatte sie gemurmelt, als Bente sie mit Juliettes Schwangerschaft konfrontiert hatte?

Das Schwein.

Damit konnte sie nur Benno Larsen gemeint haben!

Das Wasser brandete tosend und wütend heran. Die hellen Punkte der Gischt auf den Wellen verschwanden ebenso schnell, wie sie entstanden waren. Bente streckte die Nase in den Wind. Sie liebte das zornige Wetter der Nordseeküste und stellte sich noch eine Weile dem Wind entgegen, bis sie eine feine Salzkruste auf ihrem Gesicht spürte. Jetzt war sie bereit, in dem nüchternen Containerzimmer hinter der Wache schlafen zu gehen.

In Kooperation mit der Krimi-Autorin Krinke Rehberg präsentieren wir Ihnen den fesselnden Syltkrimi Dünengrab in mehreren Teilen. Jeden Samstag erscheint morgens ab 8.00 Uhr ein neuer Teil, des SyltKrimis. Lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sich mitreißen und verpassen Sie Woche für Woche keine Folge des SyltKrimis. 

Weiter geht es in Teil 8 SYLTKRIMI Dünengrab am kommenden Samstag. 

Titelbild: Unis Riba/Shutterstock.com

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