Freitag, Mai 9, 2025

Stadtmodell Westerland: Wo Geschichte unter den Fingern liegt

Wer durch den Kurpark schlendert, wird ihn womöglich zunächst übersehen: jenen unscheinbaren Sockel aus Bronze, der sich wie selbstverständlich in die Umgebung einfügt. Und doch birgt er eine ungeheure Kraft. Das Stadtmodell Westerland, 2014 eingeweiht, ist mehr als ein Kunstwerk. Es ist ein Ort, an dem man Geschichte nicht nur betrachten, sondern ertasten kann – buchstäblich.

Ein Modell für die Sinne

Initiatorin des Projekts ist die Sylter Gästeführerin und Autorin Silke von Bremen, die sich mit großem Engagement für die kulturelle Vermittlung der Insel einsetzt. Ihr Anliegen: Die Geschichte der Stadt für alle zugänglich machen – unabhängig von Sehvermögen, Herkunft oder Alter. Das Stadtmodell sollte kein Denkmal, sondern ein Lerninstrument werden, das den öffentlichen Raum barrierefrei bereichert.

Stadtmodell Westerland im Kurpark gegenüber des Westerländer Rathaus
Stadtmodell Westerland im Kurpark gegenüber des Westerländer Rathaus

Realisiert wurde das Werk vom westfälischen Bildhauer Egbert Broerken, der sich seit Jahren auf taktile Stadtmodelle spezialisiert hat. Mit beeindruckender Präzision formte er die Topografie Westerlands in Bronze nach: Straßenzüge, Plätze, Gebäude – alles ist bis ins Detail ertastbar. Die Oberfläche enthält zusätzlich Brailleschrift, sodass auch blinde und sehbehinderte Menschen sich im Modell orientieren können.

Barrierefreiheit als künstlerisches und gesellschaftliches Prinzip

Ein solches Modell ist mehr als ästhetisches Objekt. Es ist ein Mittel zur Inklusion, ein Ausdruck gelebter Teilhabe. Gerade in einer Tourismusregion wie Sylt, in der viele Angebote auf visuelle Reize setzen, setzt das Stadtmodell ein wichtiges Zeichen: Bildung, Information und Kunst dürfen keine Frage der körperlichen Voraussetzungen sein.

Was Silke von Bremen angestoßen hat, fand zahlreiche Unterstützer – nicht nur ideell, sondern auch finanziell.

Ein gemeinschaftlich getragenes Projekt

Die Felix- und Ella-Scholz-Stiftung, eine der gemeinnützigen Stiftungen der Insel, übernahm einen großen Teil der Finanzierung. Ihr Engagement war entscheidend, um das rund 40.000 Euro teure Projekt überhaupt zu realisieren. Doch auch zahlreiche Firmen und Privatpersonen trugen mit ihren Spenden dazu bei, dass aus einer Idee ein dauerhaftes Kunstwerk im Herzen Westerlands werden konnte.

Stadtmodell
Was Kunst im besten Fall leisten kann: Sie verbindet Menschen. Sie schafft Zugang. Sie öffnet Räume – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.

Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie zivilgesellschaftliches Engagementunternehmerische Verantwortung und Stiftungsarbeit gemeinsam dazu beitragen können, öffentlichen Raum sinnvoll und inklusiv zu gestalten.

Der Kurpark – eine Bühne für Begegnung und Bildung

Das Stadtmodell steht nicht zufällig im Kurpark, jener zentralen Grünfläche gegenüber dem Rathaus. Der Park ist weit mehr als ein Ort zum Ausruhen: Er ist Treffpunkt und Erholungsraum. Neben dem Stadtmodell laden auch farbenfrohe Vogelhäuschen zum Entdecken ein. Der Park wird so zum erweiterten Lernraum, in dem Geschichte auf Natur trifft und Dialoge zwischen Generationen und Perspektiven möglich werden.

Lernen durch Berührung

Was normalerweise in Stadtführungen erzählt oder in Prospekten gelesen wird, wird hier fühlbar. Besucherinnen und Besucher – ob sehbehindert oder nicht – erfahren die Stadtstruktur durch Berührung. Sie können sich durch das Relief tasten, Höhenunterschiede erspüren, Gebäude ertasten. Gerade für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen bedeutet dies einen Zuwachs an Selbstständigkeit und Zugehörigkeit.

Informationen Westerland
Die Informationstafel.

Doch auch Kinder und Touristen entdecken hier die Stadt neu. Der haptische Zugang vermittelt Raumgefühl auf unmittelbare Weise – ganz ohne digitale Technik, ganz ohne erklärende Screens.

Fazit: Mehr als Bronze

Das Stadtmodell Westerland ist ein Symbol. Es steht für das, was Kunst im besten Fall leisten kann: Sie verbindet Menschen. Sie schafft Zugang. Sie öffnet Räume – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.

Silke von Bremen, Egbert Broerken und die vielen Unterstützer haben gemeinsam einen Ort geschaffen, der still und unspektakulär wirkt – und doch täglich wirkt. Als Einladung zum Verweilen. Als Geste der Offenheit. Und als Beitrag zu einer inklusiveren Gesellschaft.

In Westerland, im Kurpark, mitten auf Sylt.

Fotos und Text: Stefan Kny

Quellen:
Egbert Broerken – Blinden-Stadtmodelle
Guideaufsylt.de – Stadtmodell Westerland
Sylt.de Stadtmodell

Informationen zur Felix- und Ella-Scholz-Stiftung: über das Projekt kommuniziert durch Beteiligte und in öffentlich zugänglichen Projektbeschreibungen

Stefan Kny
Stefan Kny
Stefan Kny ist Verleger, Journalist und Chefredakteur. Auf syltexklusiv.com schreibt er mit Begeisterung über das, was ihn bewegt: von Ausstellungen und Autotests bis hin zu neuen Themenwelten, die auf Sylt beginnen – oder dort ihre ganz eigene Tiefe entfalten.

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