Bis zum 15. April 2024 präsentieren die Galerie am Meer an der Westerländer Promenade eine außergewöhnliche Gemeinschafts-Ausstellung, die das künstlerische Schaffen zweier bemerkenswerter Künstler in den Vordergrund rückt: Jens C. Gehring, einem Fotografen mit einem ausgeprägten Talent für Schwarzweiß-Fotografie, und André Bigus, einem Bildhauer, dessen Werke aus einer anderen Welt zu stammen scheinen.
Jens C. Gehring wird seine Meisterschaft durch eine Auswahl an Fotografien demonstrieren, die von atemberaubenden Landschaften, über sinnliche Stillleben, bis hin zu faszinierenden abstrakten Formen reichen.
André Bigus hingegen entführt uns mit seinen Skulpturen in eine Sphäre des Surrealen. Seit er in den 1980er Jahren sein Studium der Bildhauerei in Pietrasanta, Italien, absolvierte, hat Bigus sein außergewöhnliches Talent in Werken aus Marmor, Alabaster und einer Vielzahl von Steinen zum Ausdruck gebracht, die in Italien, der Schweiz und Deutschland ausgestellt wurden. Die Verwendung von Bronze und Ton ermöglicht es ihm, seine Vision einer feinen Ästhetik in die Realität umzusetzen.
Diese gemeinsame Ausstellung von Jens C. Gehring und André Bigus in der Galerie am Meer ist eine seltene Gelegenheit, die Schönheit und das Nachdenken, das beide Kunstformen hervorrufen können, in einem Raum zu erleben. Sie bietet eine Plattform für einen Dialog zwischen den Medien Fotografie und Skulptur, der die Betrachter dazu einlädt, die vielfältigen Ausdrucksformen der Kunst zu erkunden.
Die Vernissage fand am 1. April um 15.00 Uhr statt. Verleger Stefan Kny traf die beiden Künstler vor Ort für ein Interview.
Zur Kunst gekommen:
Wie sind Sie zur Kunst gekommen, und gab es einen entscheidenden Moment, in dem Sie wussten, dass Sie Ihre kreative Vision durch Fotografie/Bildhauerei ausdrücken möchten?
André Bigus:
In der Kindheit bin ich an einem Friedhof nahe Hamburg aufgewachsen. Schon mit vier Jahren spielte ich bei einem Steinmetz. Das waren die ersten Berührungen mit dem Material Marmor. Mit 14 zeigte mir ein älterer Freund Kunst aus allen Zeiten der Menschheit. Diese Verbindung zur Kunst lebte mit 25 Jahren wieder auf. Zuerst startete ich selbst in einem Schuppen. Übernahm von einem Steinmetz seine Werkzeuge. Dann die erste Reise nach Italien in die Nähe von Carrara. In dem Künstlerdorf Pietrasanta begann das Studium zum Umgang mit dem weißem Carrara-Marmor.
Der Zugang zur Kunst ist also ein langjähriger und weiter anhaltender Prozess.
Jens C. Gehring:
Die Fotografie ist bereits seit Jahren mein ständiger Begleiter und speziell die Schwarzweiß-Fotografie mein bevorzugtes Ausdrucksmittel. Dadurch, dass Farbakzente fehlen, führt diese Art der Fotografie aus meiner Sicht direkter zur eigentlichen Bildaussage und wirkt damit unverfälscht und für den Betrachter beeindruckender. Einen entscheidenden Moment gab es für mich nicht, zumindest nicht im Sinne von Aha-Moment. Vielmehr war es ein schleichender Prozess, der mich schrittweise weitergeführt hat und jeden Tag noch weiterführt. Es gibt vielmehr innerhalb der Fotografie Momente, in denen ich nach neuen kreativen Lösungen suche. Was den Reiz ausgemacht hat und ihn noch immer ausmacht, meine Sicht auf Dinge mit Fotografie auszudrücken, ist, dass ein Bild immer nur ein ganz spezieller Moment und ein Ausschnitt ist, der festgehalten wird und der in der Art nie wieder kommt.
Inspiration:
Was inspiriert Sie am meisten in Ihrer kreativen Arbeit, und wie spiegeln sich diese Inspirationen in Ihren Werken wider?
André Bigus:
Intensive Lebenssituationen sind die Inspirationen. Ein Gefühl, ein Gedanke, eine Wahrnehmung oder Erkenntnis durchfließen mich. Und realisieren sich in dreidimensionaler Form.
Jens C. Gehring:
Ich empfinde meine Sichtweise beim Fotografieren als sehr vielfältig und möchte mich nicht auf ein Genre festlegen. Fotografie heißt, ich lerne Sehen. Wenn ich fotografierend unterwegs bin, nehme ich Situationen auf. Das können für mich Momente im urbanen Umfeld oder Landschaft bis hin zu abstrakten oder architektonischen Details sein. In meinem Kopf sehe ich dann bereits annähernd das fertige Bild mit seinen Tonwerten.
Künstlerischer Prozess:
Können Sie uns durch Ihren künstlerischen Prozess führen? Wie entwickeln Sie eine Idee von einem ersten Funken der Inspiration, bis zum fertigen Werk?
André Bigus:
Aus der Inspiration entsteht ein Gedanke, der zu einem dreidimensionalen Bild im Kopf entsteht. Früher setzte sich dieses Bild direkt in einem Stein um. Heutzutage gibt es auch schon mal eine Skizze auf Papier. Oder auch ein kleines dreidimensionales Modell. Dies sind die Anhaltspunkte den Gedanken in Form zu bringen.
Jens C. Gehring:
Es gibt unterschiedliche Anfänge, abhängig, ob ich unterwegs fotografiere oder im Studio. Im Studio habe ich eine Idee, die ich mit Requisiten und Licht versuche umzusetzen. Außerhalb lasse ich mich in der Regel treiben und überraschen, also genau das Gegenteil zur Studioarbeit. Nicht immer, aber oftmals. Wenn ich dann zum eigentlichen Fotografieren komme, versuche ich in das jeweilige Motiv hineinzugehen, so weit, bis die Reduktion für mich Sinn ergibt. Auch wenn ich schon im Moment der Aufnahme versuche das Optimale bei Bildaufbau und Tonwertumfang zu erreichen, kommt es vor, dass ich die Stimmung und die Wirkung durch gezielte Nachbearbeitung verändere. Manchmal sind klarste Strukturen für mich entscheidend, manchmal ist es gerade das Gegenteil, das Spiel mit Unschärfe. Fertig werde ich erst dann, wenn ich mich auf Ausschnitt, Format, Größe und Material festlege. Um die Originalität und die Wertigkeit zu unterstreichen, gebe ich alle Fotografien mit einem Echtheitszertifikat ab.
Bedeutung der Materialien:
Welche Rolle spielen die Materialien in Ihrem Werk? Wie beeinflussen sie die Interpretation und Wahrnehmung Ihrer Kunst?
André Bigus:
Klar ist immer, dass ein dreidimensionales Objekt entsteht. Nach dem Gedanken und dem Bild im Kopf findet die Suche nach dem entsprechenden Stein statt. Stein ist ein Millionen Jahre altes Material. Es darf mit Ehrfurcht bearbeitet werden. Manchmal gibt der Stein auch die Form für das entstehende Objekt vor. Vor circa 20 Jahren entstand der Wunsch ein anderes archaisches Material der Menschheit zu nutzen. Bronze. Dadurch gibt es u.a. die Möglichkeit der Vervielfältigung der gleichen Skulptur.
Bei den hier auf Sylt ausgestellten Köpfen wird das Spiel mit Patina detailliert präsentiert.
Ton als Material entfacht noch weitere Möglichkeiten der Realisierung. Durch unterschiedliche Brennverfahren und Glasuren entsteht eine vielfältige farbige Realisation der gleichen Skulptur.
Jens C. Gehring:
Sie spielen eine große Rolle und sind das Finale. Aber nicht nur das Material. Es gibt für mich Motive, die durch Größe und auf Alu-Dibond beeindrucken, wie es klein und auf Fotopapier nie sein könnte. Umgekehrt gibt es Aufnahmen, bei denen ich Baryt-Papiere mit Passepartout in bester Qualität und Rahmen bevorzuge. Auch deshalb kleiner, damit ich dem Betrachter die Möglichkeit gebe, mich allein und mit wenig Abstand mit dem fertigen Bild und seiner Aussage auseinanderzusetzen.
Einfluss und Botschaft:
Welchen Einfluss oder welche Botschaft hoffen Sie, mit Ihren Werken zu vermitteln? Gibt es spezifische Themen oder Fragen, die Sie regelmäßig erkunden möchten?
André Bigus:
Jedem Menschen ist eine eigene Ästhetik inne. Diese darf auch mit der anderer Menschen übereinstimmen. Erkennt der Betrachter diese Ästhetik oder erfreut sich dieser oder stellt er sich Fragen dazu, sind dies gewünschte Aspekte der Kunst.
Spezielle Themen und Fragestellungen entstehen ganz frei durch das Fließenlassen der Gedanken.
Jens C. Gehring:
Mir sind die kleinen Dinge wichtig, die, die gern auch übersehen werden. Unser Auge nimmt viel mehr auf und wird von vielem beeinflusst, dass Details leicht übersehen werden. Ich möchte auf diese hinweisen. Ob durch einzelne Aufnahmen oder durch Serien. Beispielsweise habe ich in verschiedenen Ausstellungen ein Thema ausgestellt, welches ich RUHE PLÄTZE genannt habe. Eine Serie, die ich bereits vor 40 Jahren begonnen habe. Ich zeige darin Bänke und Stühle in und vor unterschiedlichen Umgebungen. Mal in wunderschöner Landschaft, mal vor kalter Mauer. Ich möchte damit deutlich machen, dass diese Plätze nicht nur Orte sind, an denen ich ausruhen kann oder konnte und nun unwichtig wurden, sondern auch solche sein können, an denen Erinnerung ihren Platz hat.
Synergie der Ausstellung:
Diese Ausstellung vereint Fotografie und Bildhauerei in einem gemeinsamen Raum. Warum glauben Sie, ist diese Kombination für Sie beide sinnvoll, und wie ergänzen oder kontrastieren Ihre Werke einander in diesem Kontext?
André Bigus:
In dieser Ausstellung treffen schwarz- weiße Zweidimensionaltät auf farbige Dreidimensionalität. Dies lässt eine Spannung und eine Ergänzung zum Ganzen entstehen.
Jens C. Gehring:
Weil Kunst vielfältig ist und sich nicht auf ein Medium festlegen lässt. Alle Werke leben vom Detail und stehen sich dabei nicht im Wege. Es ist nicht die erste gemeinsame Ausstellung und wir haben gegenseitig Inspiration erfahren.
Vielen Dank für das Interview auf syltexklusiv.com
Sie planen eine Vernissage? Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.