Einblicke in eine der wichtigsten Maßnahmen zum Erhalt der Insel
Die Nordseeinsel Sylt ist nicht nur ein beliebtes Urlaubsziel, sondern auch eine der am stärksten von Erosion bedrohten Regionen Deutschlands. Die natürliche Kraft von Wellen, Wind und Sturmfluten nagt kontinuierlich an den Stränden und Kliffs. Um die Küstenlinie zu stabilisieren und Landverluste zu verhindern, wird seit Jahrzehnten auf ein zentrales Instrument des technischen Küstenschutzes gesetzt: die Sandvorspülung.

Warum Sand aufgespült wird
Sylt verliert jedes Jahr erhebliche Mengen Sand durch Erosion – besonders in sturmreichen Wintern. Ohne Gegenmaßnahmen könnte die Insel langfristig an Breite verlieren oder gar geteilt werden. Besonders betroffen sind die Westküste mit dem Roten Kliff bei Kampen, Westerland, aber auch der Süden bei Hörnum. Die Sandvorspülung ist daher essenziell, um:
- den Küstenrückgang zu stoppen,
- den natürlichen Wellenbrecher, den Strand, wiederherzustellen,
- den Schutz für Dünen, Deiche und Infrastruktur zu gewährleisten.
So funktioniert die Sandvorspülung
1. Sandgewinnung vom Meeresboden
Der Sand wird in einer Entfernung von etwa 8 bis 10 Kilometern vor der Küste mit sogenannten Hopperbaggerschiffen vom Meeresboden entnommen. Dabei handelt es sich um saugende Spezialschiffe, die große Mengen Sand aufnehmen können – meist aus Bereichen mit ähnlicher Körnung wie der Sylter Strand.
2. Transport zur Küste
Der aufgenommene Sand wird in einem Zwischenschritt in Spülschiffe oder sogenannte „Rainbowing-Schiffe“überführt. Diese bringen den Sand in unmittelbare Küstennähe.
Sandvorspülung mittels des sogenannten Rainbow-Verfahrens: Da das Saugbaggerschiff aufgrund der geringen Wassertiefe seine Bodenluken nicht öffnen kann, wird der aufgenommene Sand in einer Wasser-Sand-Mischung unter hohem Druck zur Küste gepumpt. Der dabei entstehende gebogene Strahl – der an einen Regenbogen erinnert – gab dem Verfahren seinen Namen.

3. Aufspülen an den Strand
Mittels großer Rohrleitungen, die über mehrere hundert Meter ins Meer hinausreichen, wird der Sand in einer Wasser-Sand-Mischung an die Küste gespült. Dort verteilt er sich zunächst unkontrolliert, wird aber anschließend durch Planierraupen und Bagger in die gewünschte Form gebracht.

4. Modellierung eines künstlichen Strandes
Der neue Strand wird in Höhe und Breite den natürlichen Gegebenheiten angepasst. Er soll zum einen die Energie der Wellen abfangen und zum anderen so beschaffen sein, dass er sich harmonisch in das bestehende Ökosystem einfügt.

Kosten und Finanzierung
Eine Sandvorspülung auf Sylt ist kostspielig: Etwa 5 bis 10 Millionen Euro pro Jahr werden investiert, je nach Umfang. Die Finanzierung erfolgt in einer gemeinsamen Verantwortung von Bund, Land Schleswig-Holstein und dem Küstenschutzverband der Insel Sylt (KIS).
„Von 1972 bis 2024 wurden rund 61,3 Mio. Kubikmeter Sand aufgespült. 6,9 Mio. Kubikmeter davon
wurden in den Vorstrandbereich gespült.“ Quelle: LKN.SH Faltblatt
Wirkung und Kritik
Die Sandvorspülungen gelten als erfolgreich, weil sie den Inselkörper stabilisieren und Schutz bieten. Gleichzeitig sind sie keine dauerhafte Lösung, denn der aufgespülte Sand wird in den kommenden Jahren wieder durch das Meer abgetragen. Es handelt sich also um einen zyklischen, permanenten Eingriff.

Kritiker verweisen auf den hohen Energieeinsatz, mögliche Auswirkungen auf marine Lebensräume und die Frage der Nachhaltigkeit. Alternativen wie harte Küstenschutzbauwerke (z. B. Buhnen oder Wellenbrecher) kommen auf Sylt aus ästhetischen und ökologischen Gründen jedoch nicht zum Einsatz. Die erhofften Effekte durch den Einsatz von Buhnen und Tetrapoden blieben – vereinfacht gesagt – weitgehend aus.
Lesetipp: Tetrapoden – von Küstenschutz zu Kunst (Wirkung der Tetrapoden)
Ausblick
Angesichts des steigenden Meeresspiegels und zunehmender Extremwetterlagen bleibt die Sandvorspülung ein zentraler Baustein im Kampf gegen den Klimawandel auf lokaler Ebene. Experten rechnen damit, dass die Maßnahmen in den kommenden Jahrzehnten sogar verstärkt werden müssen, um die Insel langfristig zu erhalten.
Quellen:
- Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH) – www.schleswig-holstein.de
- Küstenschutzverband Insel Sylt (KIS) – www.insel-sylt.de
- Umweltbundesamt – Themenseite Küstenschutz: www.umweltbundesamt.de
- NDR Doku: „Sylt im Kampf gegen das Meer“, 2022
- Fachartikel in: Die Küste, H. 89 (2022): „50 Jahre Sandvorspülung – Bilanz und Perspektiven“
Text und Fotos: Stefan Kny