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Intro
Wer heute durch Kampen spaziert, stößt auf eine Kunststele, die an den legendären „Ziegenstall“ erinnert – jenen Nachtclub, den Valeska Gert 1951 auf Sylt eröffnete. Heu, Melkständer, Holzstühle – der Name war Programm. Die Gäste, so der selbstironische Anspruch, sollten wie Ziegen „gemolken“ und zum Blöken gebracht werden. Doch hinter dieser rustikalen Maskerade stand eine der radikalsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Wir empfehlen den Besuch im Sylt Museum. Zur aktuellen Ausstellung: Der Ziegenstall in Kampen

Gastgeberin statt Hauptattraktion
Im „Ziegenstall“ überließ Gert die Bühne den Kellnerinnen und Kellnern, die zugleich als Performer auftraten – eine Mischung aus Bewirtung, Kabarett und Happening, lange bevor dieser Begriff in den Kunstkanon einzog. Sie selbst trat nicht auf, doch ihre Aura prägte jeden Winkel des Raumes. Der Club wurde ein Treffpunkt für Sommergäste, Künstler und Neugierige, die etwas anderes suchten als die mondäne Inselroutine.
Die Wurzeln: Grotesktanz und Provokation
Dass Gert sich auf Sylt als Gastgeberin inszenierte, hatte ihre eigene Logik: Sie war es gewohnt, Räume zu verwandeln. Schon in den 1920er Jahren sprengte sie in Berlin die Grenzen des Tanzes. Statt klassischer Anmut zeigte sie Boxkämpfe, Maschinengeratter oder den Akt der Prostitution als Bewegungsstudien – skandalös und wegweisend zugleich. Sie machte sichtbar, was sonst im Schatten blieb, und erfand damit eine Kunst, die zwischen Tanz, Kabarett und Gesellschaftssatire oszillierte.
Exil und Rückkehr
1933 zwang das NS-Regime sie ins Exil. In London und New York eröffnete sie Bars und Clubs, in denen Arme und Künstler gleichermaßen Platz fanden – ein gelebtes Manifest gegen Exklusivität. Nach dem Krieg kehrte sie nach Deutschland zurück, und der „Ziegenstall“ wurde zu ihrem vielleicht persönlichsten Projekt: eine Bühne ohne feste Dramaturgie, getragen vom Improvisierten, Grotesken und Unberechenbaren.
Erbe einer Unbequemen
Bis zu ihrem Tod 1978 blieb Valeska Gert auf Sylt. Der „Ziegenstall“ steht heute nicht nur für eine schräge Episode der Inselgeschichte, sondern auch für Gerts künstlerisches Prinzip: Das Alltägliche in Kunst zu verwandeln, das Groteske sichtbar zu machen, die Rollen von Künstler und Publikum neu zu definieren. In vielem war sie eine Vorläuferin der Performance-Kunst – lange bevor diese ihren Platz in den Museen fand.

Wir empfehlen den Besuch im Sylt Museum. Zur aktuellen Ausstellung: Der Ziegenstall in Kampen

Fotos vor und im Sölring Museum von Stefan Kny
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