Spannung pur auf Syltexklusiv! In Kooperation mit der Krimi-Autorin Krinke Rehberg präsentieren wir Ihnen den fesselnden Syltkrimi Dünengrab in mehreren Teilen. Die perfekte Lesezeit ist gekommen: Jeden Samstag erscheint ein neuer Teil, des SyltKrimis. Lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sich mitreißen und verpassen Sie Woche für Woche keine Folge des SyltKrimis. Heute Teil 3.
Hier geht es zu Teil 1 und Teil 2.
Kapitel 4
Bente Brodersen trug eine petrolfarbene Multifunktionshose mit schwarz abgesetzten Seitentaschen und einem Dutzend Klettverschlüssen.
Eine schwarze Fleecejacke unter der obligatorischen Weste mit ähnlich vielen Taschen komplettierte ihr Outfit.
Sie war groß und schlank, hatte dunkelrote Locken, die auf Kinnlänge geschnitten waren und ihr sommersprossiges Gesicht einrahmten.
Ihr blieb keine Zeit, sich einzugewöhnen. Das hatte sie sich anders vorgestellt, aber so lernte sie ihr Team gleich bei einem Einsatz kennen.
Ihr Vorgänger, Tammo Hansen, trat aus dem Garten in die Küche und nickte ihr lediglich zur Begrüßung zu. Sie nickte ebenfalls und wandte sich wieder Frau Larsen zu.
»Juliette. Sie heißt Juliette, sie ist aus Lyon und wird in 3 Wochen 25.«
»Spricht sie Deutsch oder nur französisch?«
»Sie ist zweisprachig aufgewachsen!«
Eine Klarsichthülle lag auf dem Tisch und Bente warf einen Blick darauf.
»Das ist der Au-pair-Vertrag und eine Passkopie. Das haben wir von der Agentur damals bekommen.«
Bente nahm den Vertrag in die Hand und überflog ihn. Juliette Durand, geboren in Saint Avoid. Bente kannte Frankreich viel zu wenig, als dass sie wüsste, wo das lag. Letzter Wohnsitz war Lyon. Das sagte ihr natürlich etwas.
Sie fotografierte beide Seiten mit ihrem Handy ab und reichte die Folie zurück.
»Wann haben Sie Juliette zum letzten Mal gesehen?«
»Bevor ich das Haus verlassen habe.«
»Um wieviel Uhr war das genau?«
»Gegen 11 Uhr. Ich bin ins Fitnessstudio gefahren.«
»Wo befindet sich das Fitnessstudio?«
Bente Brodersen zückte einen kleinen Block und machte sich Notizen.
»Das Sylt Fitness in Tinnum.«
»Sind Sie dort schon lange Mitglied?«
»Ist das wichtig?«
Bente nickte und heftete ihren Blick auf das Gesicht von Svea Larsen.
»Weiß nicht genau, einige Zeit.«
»Ein, zwei oder mehrere Jahre?«
Bente ließ nicht locker. Für sie war jedes noch so kleine Detail wichtig.
»Ein Jahr oder so?«
»Dürfen meine Kollegen sich hier umsehen?«
»Ja, aber halten Sie sich von Jördis fern. Sie soll nichts mitbekommen. Juliette wohnt in der Gästewohnung neben der Garage.«
Sie wies Bente die Richtung.
»Wir nehmen natürlich auf Ihre Tochter Rücksicht. Wie alt ist sie?«
»Sie wird vier.«
Bente bemerkte sofort, wie sich Svea Larsens Miene aufhellte, sobald sie von ihrer Tochter sprach.
Seit ihre eigene Tochter fürs Studium nach Hamburg gezogen war, sah sie sie kaum noch.
Die Kinder mussten sich irgendwann abnabeln, aber bei Anka hatte dieser Prozess schon mit 14 begonnen. Damals hatte Bente ihr einen neuen Freund vorgestellt, den sie kategorisch abgelehnt und einen Terror veranstaltet hatte, dem die frische Beziehung nicht standgehalten hatte. Rückblickend war es gut so gewesen. Der Typ war den Stress nicht wert gewesen! Ob es nun an Ankas Verhalten oder an ihrem Job gelegen hatte, war letztlich auch egal.
Bente kannte keinen Kollegen, der keine Beziehungsprobleme hatte. Das brachte dieser Job einfach mit sich.
Die SpuSi war zeitgleich mit ihr eingetroffen und hatte sich wegen des anstehenden Regens zuerst draußen umgesehen. Hauptkommissar Tammo Hansen und die junge Heike Röder hatten sie begleitet und jetzt gingen sie gemeinsam in die Einliegerwohnung.
Bente mochte die wortkarge Art ihres Vorgängers. Weniger war häufig mehr!
»Hatten Sie oder Ihr Mann eine Auseinandersetzung mit Juliette?«
Svea Larsen riss die Augen auf.
»Nein, ganz und gar nicht. Ich sagte doch, sie gehört zur Familie, schließlich ist sie schon ein halbes Jahr bei uns.«
»Ist sie nicht ein bisschen zu alt für ein Au-pair- Mädchen?«
»Woher soll ich das wissen? Ihr gefällt es offensichtlich und wir bezahlen sie außerdem sehr gut.«
»Also ist es so etwas wie bezahlte Familie, oder?«
Bente beobachtete Svea Larsens Reaktion sehr genau. Ihr Gegenüber zu überraschen, zu verstören, vielleicht sogar zu provozieren, gehörte zu ihrer Taktik, Fragen zu stellen.
Sie machte sich damit keine Freunde, aber ihr Job war es auch nicht, Freunde zu finden, sondern Mörder.
Die Reaktion von Svea Larsen war offen und ehrlich.
»So habe ich es noch nie gesehen, aber Sie haben wahrscheinlich recht. Zumindest anfangs muss die Bezahlung für Juliette den Ausschlag gegeben haben. Aber mittlerweile sind wir wirklich befreundet!«
Frau Larsen beobachtete interessiert einen Mitarbeiter der SpuSi in einem weißen Papieroverall, der Juliettes Strickjacke, ihren Rucksack und auch den Messerblock in unterschiedliche Plastikbeutel packte.
»Das sieht aus, als ob Sie damit rechnen, dass sie tot ist.«
Svea Larsen schluckte nervös.
»Womit rechnen Sie?«, stellte Bente die Gegenfrage.
»Ich hoffe, dass ihr nichts zugestoßen ist, das wäre schrecklich.«
Tränen traten aus ihren Augen, die sie mit einem Taschentuch wegwischte.
Bente fiel auf, dass die Frau darauf bedacht war, ihr Make-up und den Kajalstrich nicht zu verwischen.
Frauen dieser Gesellschaftsschicht legten offenbar in jeder Situation Wert auf ein tadelloses Erscheinungsbild.
»Hat Juliette einen Freund oder sonstige Bekannte auf der Insel?«
Frau Larsen schüttelte den Kopf.
»Was macht sie denn in ihrer Freizeit?«
»Wie?«
Bente hatte den Anruf vom alten Hansen auf dem Autozug von Niebüll nach Westerland erhalten und bereits ein wenig recherchiert.
Svea Larsen war die Erbin eines Baumarktimperiums und damit finanziell unabhängig. Ansonsten gab es im Internet nichts über sie. Im Gegensatz zu ihrem Mann Benno Larsen. Von ihm gab es mehrere Webseiten und zahlreiche Fotos, die ihn als Makler mit B-Promis zeigten. Er war vor Jahren einmal in einer RTL-Doku über Deutschlands Makler zu sehen gewesen. Er war auf jeden Fall jemand, der sich gern der Öffentlichkeit präsentierte.
Beide waren mittlerweile Ende dreißig, seit fünf Jahren in erster Ehe verheiratet und seit drei Jahren Eltern von Jördis Larsen. Weitere Kinder gab es nicht.
»Was macht Juliette, wenn sie nicht für sie arbeitet? Geht sie weg, treibt sie Sport, geht sie an den Strand, Wandern oder Radfahren?«
»Ich weiß nicht, manchmal ist sie mit dem Motorroller unterwegs.«
»Und wissen Sie, wohin sie dann fährt?«
»Juliette sieht sich gern die Insel an und liest viel. Sie hat immer ihren Kindle dabei.«
»Ist sie auch manchmal zu Fuß unterwegs?«
Svea Larsen zeigte durch die bodentiefen Fenster hinaus in den Garten.
»Sehen Sie sich um, sie geht einfach da hinaus, wenn sie spazieren gehen möchte.«
Bente folgte ihrem Blick über den gepflegten Rasen zu den heidekrautüberwucherten Hügeln.
»Standen irgendwelche Türen offen, als sie nachhause kamen?«
»Nein!«
»Vielleicht irgendeine Terrassentür? Versuchen Sie, sich zu erinnern. Eventuell ist es Ihnen in der Aufregung nicht aufgefallen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nahm sie Drogen oder Alkohol zu sich?«
»Was denken Sie von ihr! Sie ist 25!«
Bente wartete schweigend auf eine Antwort.
»Nie im Leben, das hätte sie mir erzählt! Juliette und ich waren…äh, sind wie Schwestern!«
Eine Frau trat in die Küche, grüßte in die Runde und wandte sich an Svea Larsen.
»Ich glaube, sie braucht dich jetzt. Sie stellt viele Fragen und ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll.«
»Danke Lisa, ich geh sofort hoch!«
Sie legte beide Handflächen zusammen, als stumme Dankesgeste.
Bente schätzte die Frau auf Mitte vierzig. Sie war das, was landläufig als schön galt. Lange, blonde Haare, groß und schlank.
»Sie wohnen nebenan?«
»Ja.«
»Ist ihnen heute Vormittag irgendetwas aufgefallen? Haben Sie vielleicht Juliette das Haus verlassen sehen?«
Die Frau schüttelte den Kopf und hob entschuldigend die Schultern.
»Ich muss jetzt leider los.«
»Ok, danke nochmal! Ich gehe jetzt nach oben.«
Svea Larsen sah in die Runde.
»Ihre Fragen müssen warten!«
Damit stand sie auf und ging in den Flur.
Als sie sich ebenfalls erhob, platzte Hansen in die Küche und schloss die Tür hinter sich.
»Wir haben das hier in ihrem Badezimmer gefunden!«
Er hielt einen Plastikbeutel hoch, in dem sich ein Teststreifen befand.
»Offensichtlich ist das Mädchen schwanger!«
Weiter geht es in Teil 4 SYLTKRIMI Dünengrab am kommenden Samstag.
Titelbild: Unis Riba/Shutterstock.com