SyltKrimi, Dünengrab Teil 13

In unserem Fortsetzungskrimi geht es heute mit Teil 13 von Dünengrab weiter.  Hier startet der Fortsetzungskrimi.

»Sie sagen, er ist zu Ihnen auf die Terrasse gekommen und hat Sie beschimpft?«

Lisa Sellering nickte seufzend.

Also war es Benno Larsen gewesen, der in die Garage gelaufen war!

»Er hat mich gefragt, was ich Ihnen erzählt habe und dass ich meine Nase aus seinen Familienangelegenheiten heraushalten soll!«

Bente betrachtete Lisa Sellering, die weder verängstigt noch aufgelöst schien.

»Was genau hat er zu Ihnen gesagt?«

»Es gehe mich nichts an, dass sein Au-pair-Mädchen verschwunden sei!«

Sie schnaufte empört.

»Aber Svea hat doch die Polizei gerufen und da ist es doch völlig normal, dass ich Ihre Fragen beantworte, oder?«

Bente kannte dieses Verhalten von vermeintlichen Zeugen. Sie suchten Bestätigung und tarnten sich als hilfsbereite Bürger, aber letztendlich wollten sie Informationen!

»Ich habe ihn gefragt, ob er etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hat! War das richtig?«

Bente wusste, worauf das hinauslief. Hier machte sich eine Nachbarin wichtiger, als sie war.

»Und wissen Sie, was er geantwortet hat?«

»Nein.«

»Wenn er Juliette etwas angetan hätte, hindere ihn nichts daran, mich auch verschwinden zu lassen.«

Bente maß der Aussage von Benno Larsen nicht allzu viel Bedeutung bei. Um penetrante Nachbarn loszuwerden, sagte man viel dummes Zeug.

»Das ist keine wirkliche Drohung, Frau Sellering.«

»Ich weiß, aber mir ist auch noch eingefallen, dass ich gestern Vormittag seinen Mercedes auf dem Dünenweg gesehen habe.«

Mit einem Mal wurde Bente hellhörig.

»Das fällt Ihnen jetzt ein?«

»Ich hatte es nicht für wichtig gehalten.«

»Wann war das genau?«

»Um kurz nach elf!«

»Wie viele Personen waren in dem Auto?«

»Das konnte ich nicht erkennen, aber der Kofferraum hat offen gestanden, das war deutlich zu sehen. Ich habe dann weiter gestaubsaugt, weil immer mal wieder Autos durch die Heide fahren und die Polizei sich darum nicht kümmert! Ich habe es aufgegeben, jedes Mal die 110 zu wählen!«

Argwöhnisch betrachtete Bente diese offenbar einsame Frau. Machte sie sich nur wichtig oder hatte sie tatsächlich vergessen, das Auto zu erwähnen?

»Jetzt, da Sie wissen, dass auch kleinste Beobachtungen wichtig sind, fällt Ihnen da vielleicht noch etwas ein?«

Bente hatte so eine Ahnung, dass Lisa Sellering hofiert werden wollte. Für einen kurzen Moment sah Bente ein zufriedenes Lächeln über ihre Lippen huschen, bevor sie die Stirn konzentriert in Falten legte.

»Ja, tatsächlich! Ich weiß natürlich nicht, ob es wichtig ist, aber in Westerland gibt es diese grüne Stadtvilla in der Steinmannstraße. Da parken die Autos immer kreuz und quer, so dass ich mich jedes Mal ärgere, weil der Verkehr sich dort staut. Da müssten Sie mal Tickets verteilen!«

»Und was haben Sie da gesehen, Frau Sellering?«

»Auf einem der Balkone ist mir einmal Juliette aufgefallen, wie sie sich dort im Bikini gesonnt hat. Erst habe ich mir nichts dabei gedacht, aber jetzt frage ich mich, warum sie sich in einer solch teuren Ferienwohnung aufgehalten hat!«

»War sie allein?«

»Das kann ich nicht sagen, aber vielleicht gehört die Wohnung ja Benno Larsen? Und es ist ihr Liebesnest, verstehen Sie?«

Bente verstand, wies Lisa Sellerings Vermutung jedoch zurück.

»Solche Vermutung anzustellen, ist nicht Ihre Aufgabe! Wir werden dem nachgehen und ich muss Sie bitten, vorerst den Kontakt zu den Larsens einzustellen. Danke, dass Sie sich herbemüht haben.«

»Ich freue mich, wenn ich Ihnen helfen konnte!«

15

In dem großen Wachraum des Containerblocks waren Klemme, Timme und Heike eifrig dabei, Informationen zusammenzutragen.

Die Tür zu Hansens Büro ging auf und er stellte sich breitbeinig in den Türrahmen.

»Habt ihr nicht Feierabend?«, brummte er grimmig.

Alle drei winkten ab.

»Vor zwei Stunden.«

»Ihr geht nachhause, morgen ist auch noch n Tag!«

»Aber sie wollte Ergebnisse und …«

Hansen unterbrach Heike.

»Lasst es auf dem Tisch liegen. Ich kümmere mich darum.« 

Während Klemme und Timme schleunigst zusahen, die Dienststelle zu verlassen, blieb Heike an ihrem Schreibtisch sitzen.

»Die Touris sind heute wie bekloppt. Wir kommen kaum hinterher und es ist nur Kinderkram, aber zeitaufwändig! Ich kann gut ein paar Überstunden aufbauen!«

»Der Sommer steht erst vor der Tür, Röder. Da wirst du mehr als genug Überstunden leisten müssen. Bist du dir sicher?«

Sie nickte.

Als Bente das Büro betrat, sah sie sich fragend um.

»Wo sind die….?«

Weiter kam sie nicht.

»Ich hab sie nachhause geschickt!«

»Ich hatte…!«

Wieder unterbrach Hansen sie.

»Hör zu, Brodersen. Ich weiß, du tust dein Bestes, aber die Kollegen hier müssen nebenbei den Alltagskram wuppen, der auf der Insel so anfällt. Auch wenn es nicht um Mord und Totschlag geht, ist es dennoch wichtig!«

Bente lag eine pampige Antwort auf der Zunge, die sie herunterschluckte.

»In Heike hast du ne Mitstreiterin gefunden, die bereit ist, Überstunden zu machen, aber die anderen haben Familie!«

»Die hatte ich auch!«, entgegnete Bente gereizt.

»Ich will mich nicht mit dir streiten, Brodersen, aber bis jetzt ist es ein Vermisstenfall und der rechtfertigt einfach keine Überstunden.«

Der alte Hansen ließ ihr keine Zeit, zu antworten.

»Die Insel ist voller Touristen. Wir haben Stranddiebstähle, einige Autoaufbrüche und dutzende Leute kommen hier rein, weil sie irgendwas verloren haben. Ich habe Verkehrsunfälle, verletzte Seehunde am Strand und haufenweise Großstädter, die durch die Dünen latschen, als wäre das Wort Küstenschutz noch gar nicht erfunden.«

»Das gehört auch zu unseren Aufgaben?«

»Brodersen, du leitest ab Montag die WACHE SYLT. Wir kümmern uns um jeden Hühnerfurz! Wir haben die Vermisstenanzeige aufgenommen und die Kollegen halten die Augen offen. Das muss reichen!«

»Und die Strickjacke mit dem Blut?«, antwortete Bente angriffslustig.

»Deswegen hast du Heike zur Unterstützung.«

Sie sah kurz zu Heike, die tapfer lächelte und wandte sich wieder Hansen zu. Es brodelte in ihr.

»Du weißt, dass ich mich ans LKA wenden kann?«

»Okay, Brodersen. Ich vermute mal, dass du dich auf diese Stelle beworben hast, weil du auf bist, kurz vorm Burn-out, richtig? Tritt mal kürzer und schalte einen Gang runter.«

Bente schwieg. Er hatte ins Schwarze getroffen. Natürlich, schließlich war er doppelt so lange wie sie bei dem Verein und konnte zwei und zwei zusammenzählen.

»Wir stehen auf derselben Seite, Brodersen!«

»Tun wir das?«

»Ja, verdammt nochmal!«

»Aber wir haben jede Menge Indizien!«

Bente wollte nicht abwarten, bis das Wochenende vorbei war. Sie hatte ein ungutes Gefühl.

»Alles nicht Fisch und nicht Fleisch!«, grummelte Hansen.

»Du bist verantwortlich, wenn was passiert!«, sagte sie ruhig, aber es klang wie eine Drohung.

»Nach deiner Theorie ist doch schon was passiert, oder nicht?«

Sie ärgerte sich maßlos über seine Sturheit, musste sich aber fügen. Er war bis Montag Chef.

»Brodersen?«

»Hansen?«

»Du hast meine Handynummer. Kannst mich jederzeit anrufen. Ab Montag entscheidest du dann!«

Bente kochte innerlich. Sie hatte immer noch keine Nachricht aus Frankreich, was den Tod der echten Juliette Durand anging. Am Wochenende wurde offenbar international nicht gearbeitet!

»Wenn du es für richtig hältst, kannst du dich vor dem Haus der Larsens auf die Lauer legen mit deinem Campingbus!«

Damit schloss Hansen die Tür zu seinem Büro von innen.

Er hatte recht und sie wusste es. Sie konnte nur warten. Abwarten und hoffen, dass nichts passierte.

Heike breitete einige Ausdrucke auf ihrem Schreibtisch aus und sah sie erwartungsvoll an.

Bente riss sich zusammen.

»Okay, was haben wir, Heike?«

»Da sie nur Pass und Handy mitgenommen hat, muss ihre Abreise überstürzt und fluchtartig gewesen sein!«

»Fall sie überhaupt abgereist ist und nicht irgendwo in den Dünen liegt.«

Heike schluckte nervös und Bente schämte sich augenblicklich. Sie durfte ihren Frust nicht ausgerechnet an ihr auslassen!

»Sorry, das war überflüssig! Was hast du herausgefunden?«

»Das Handy ist zum letzten Mal in der Funkzelle beim Larsenhaus am Freitag um 11:30 Uhr geortet worden. Seitdem ist es ausgeschaltet.«

Heike zeigte auf einen Ausdruck der Bundesnetzagentur.

»Was sagt uns das?«

Die junge Polizistin sah sie mit großen Rehaugen an und nickte bedächtig.

»Dass sie nicht unterwegs ist!«

Bente war froh, Heike an ihrer Seite zu haben. Sie war wissbegierig und schaltete sofort.

»Ja, es passt nicht zusammen, dass sie Handy und Reisepass mitnimmt und ihr Handy dann ausschaltet.«

»Es könnte kaputt sein oder der Akku ist leer.«

»Könnte!…«, erwiderte Bente mit erhobenen Augenbrauen, »…Aber ist ein bisschen zu viel Zufall, oder?«

»Ihre Anrufliste ist genauso seltsam.«

Heike breitete ein paar Seiten der Telekom aus.

»Sie hat ausnahmslos mit Svea und Benno Larsen telefoniert. Wesentlich öfter mit ihr, aber alle paar Tage auch mit ihm. Keine Anrufe nach Frankreich, keine Beste-Freundinnen-Anrufe, nicht mal die Auskunft oder so.«

Bente schaute auf die Seiten, die vor ihr lagen.

»Wenn du die Insel nach sechs Monaten verlässt, dann rufst du doch deine beste Freundin oder deine Eltern an, um das zu erzählen. Würde ein Au-pair-Mädchen nicht auch mal in der Heimat anrufen? Gerade, um zu erzählen, wie es in der Ferne so ist, zumal es, so wie Malle, eine der berühmtesten Insel ist.«

»Vielleicht hat sie ein Zweithandy?«

»Davon können wir bei dem Anrufprofil ausgehen.«

»Das würde wieder erklären, weshalb es ausgeschaltet ist.«

»Richtig!«

Heike blätterte durch die Seiten auf dem Tisch.

»Klemme und Timme haben zwei Kindergärtnerinnen erreicht. Beide gaben an, dass Juliette sich wie eine Mutter um die kleine Jördis kümmert und auch Jördis das Mädchen vergöttert.«

»Passt zu unserer Theorie, dass sie das Au-pair nur spielt, um ihrem Geliebten nahe zu sein.«

»Glaubst du wirklich, Svea Larsen könnte in Gefahr sein? Dass Juliette und Benno Larsen einen perfiden Plan verfolgen?«

»Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll, aber wir können sie schlecht unter Polizeischutz stellen!«

»Also bleibt die Frage: Wo ist Juliette Durand oder besser gesagt, die junge Frau, die sich für sie ausgibt?«

Bente schaute auf ihr Handy. Keine Nachricht. Sie benötigte die Informationen aus Frankreich, um weiterzukommen.

»Wir sollten Montag Svea und Benno Larsen zu einer Vernehmung vorladen und sie simultan mit den jeweiligen Aussagen des anderen konfrontieren. Irgendwas muss dabei ans Licht kommen!«

Ulrike kam unter dem Tisch hervor und stellte sich winselnd vor den Ausgang. Sie musste raus.

»Wie wärs mit einer kurzen Pause?«, fragte Bente.

Heike grinste die Hündin an.

»Ich dachte schon, sie würde sich nie melden!«

Beide lachten.

»Danke, Heike, ich bin froh, dass ich dich an meiner Seite habe!«

Die junge Polizistin errötete leicht und winkte ab.

»Ich denke, ein Fischbrötchen und ein Spaziergang in der Abenddämmerung sind jetzt genau das Richtige!«

Ein paar Kilometer weiter, an der Sylter Ostküste, hatte die Dämmerung das Tageslicht beinahe vertrieben und während sich Touristen und Spaziergänger in die Bars, Restaurants und ihre Ferienhäuser zurückzogen, gehörte die Küste wieder dem Wind und den Vögeln, die auf der Suche nach Krebsen und Würmern über das Watt liefen. 

Das tosende Heulen des Windes übertönte jedes Geräusch.

 Niemand sah die schattenhafte Person, die im Gegenlicht des dunklen Himmels in der Heidelandschaft grub.

Inmitten kniehoher Sträucher wurde neben einem Trampelpfad ein Grab ausgehoben.

In Kooperation mit der Krimi-Autorin Krinke Rehberg präsentieren wir Ihnen den fesselnden Syltkrimi Dünengrab in mehreren Teilen. Jeden Samstag erscheint morgens ab 8.00 Uhr ein neuer Teil, des SyltKrimis. Lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sich mitreißen und verpassen Sie Woche für Woche keine Folge des SyltKrimis. Wir lesen uns am kommenden Samstag mit Folge 14 wieder. Titelbild: Unis Riba/Shutterstock.com

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