SyltKrimi, Dünengrab Teil 11

In unserem Fortsetzungskrimi geht es heute mit Teil 11 von Dünengrab weiter.  Hier startet der Fortsetzungskrimi.

»Wo waren Sie wirklich gestern Vormittag?«

Bente sah Svea Lasen eindringlich an.

Sie suchte den Blick zu ihrem Anwalt, Maik Dreesen, der ihr zunickte.

»Ich war in Westerland in einer privaten Wohnung.«

»In welcher Wohnung?«

»Sie gehört nicht mir, sondern ist angemietet.«

»Frau Larsen, Sie haben uns ein falsches Alibi genannt! Ich erwarte eine umfangreiche Erklärung für diese Lüge! Ihnen sollte bewusst sein, dass Sie sich verdächtig gemacht haben!«, polterte Bente genervt los.

»Frau Kommissarin, ich muss protestieren. Es gibt bisher kein Verbrechen, dessen sie meine Mandantin beschuldigen können!«

Maik Dreesen sprach im Anwaltsjargon und wirkte gelassen.

»Die Sachlage ist ernst und Frau Larsen sollte in ihrem eigenen Interesse alles dafür tun, unsere Vorbehalte zu zerstreuen. Stimmen sie darin mit mir überein, Herr Dreesen?«

»Bisher haben Sie mir die Akteneinsicht verweigert. Ich lege hiermit Beschwerde ein!«

»Das nehme ich zur Kenntnis, aber während der laufenden Ermittlung sind wir nicht verpflichtet, Ihnen Einsicht zu gewähren!«

»Moment, heißt das, Sie glauben, ich könnte Juliette etwas angetan haben?«, rief Svea Larsen empört.

Bente registrierte, dass sie nervös auf ihrem Stuhl hin und her rutschte.

Heike Röder saß mit am Tisch und hörte aufmerksam zu. Es hatte keiner weiteren Aufforderung von Hansen bedurft, Bente hatte auf der Rückfahrt zur Wache beschlossen, die junge Kollegin in diesem Fall an ihre Seite zu nehmen.

Sie war im gleichen Alter wie die Vermisste und das konnte hilfreich sein. 

Bente lächelte Svea Larsen aufmunternd an. »Ich habe seit einem halben Jahr eine Affäre. Er kommt aus Kiel. Wir sehen uns jeden Freitagvormittag.«

Bente schob ihr einen Block und Kugelschreiber über den Tisch.

»Name und Telefonnummer, bitte!«

Sie schrieb und schob den Block zu Bente zurück.

»DER Torben Niemann? Der Landtagsabgeordnete?«

»Ja! Aber gestern war er nicht da!«

Sie schien besorgt.

»Ich versuche die ganze Zeit, ihn zu erreichen. Er meldet sich nicht. Es ist wie bei Juliette, er ist einfach verschwunden.«

»In welcher Wohnung treffen Sie sich? Hat Sie jemand gesehen?«

Svea Larsen schüttelte den Kopf.

»Nein, wir halten unser Verhältnis geheim. Wir achten darauf, uns nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen. Außerdem bin ich verheiratet und hier auf der Insel kennt jeder meinen Mann.«

Hansen grummelte eine Bestätigung.

»Ich trage eine Perücke, Sonnenbrille und ein Käppi, wenn ich zu der Wohnung gehe. Torben hat sie gemietet und ich habe den Zweitschlüssel.«

Bente rückte ihren Stuhl vom Tisch ab und hob abwehrend die Hände.

»Stopp! Sie erzählen mir, Sie verkleiden sich, um nicht erkannt zu werden und deswegen kann niemand bezeugen, dass Sie dort waren?«

Svea Larsen nickte unsicher.

»Das ist eine plausible Erklärung meiner Mandantin und muss reichen!«, schaltete sich Dreesen ein.

Bente ignorierte ihn und wandte den Blick nicht von Svea Larsen ab.

»Wo bewahren Sie diese Perücke auf?«

»Im Kofferraum unter dem Ersatzreifen!«

»Sie haben nichts dagegen, dass meine Kollegin das kurz überprüft?«

Sie nickte Heike zu, die beflissen aufsprang.

Svea Larsen reichte die Autoschlüssel über den Tisch, als Dreesen einwarf:

»Ich möchte einen Vermerk, dass meine Mandatin dies ausdrücklich erlaubt, um ihre Kooperation zu zeigen.«

Hansen schüttelte genervt den Kopf.

»Weshalb auch sonst?«

»Lass nur, Maik, ist schon gut!«, beschwichtigte Svea Larsen ihren Rechtsbeistand.

»Seit wann treffen Sie sich jeden Freitag mit Torben Niemann?«, übernahm Bente wieder das Gespräch.

»Seit fünfeinhalb Monaten.«

»Und er kommt immer mit dem Autozug?«

»Ja, er kommt vormittags und verlässt die Insel mit dem letzten Autozug.«

Bente beobachtete sie konzentriert. Bisher verstrickte sie sich in keine Widersprüche.

»Wo haben Sie sich kennengelernt?«

Svea Larsen zögerte einen Moment und sah fragend zu Dreesen.

»In Hamburg!«

Bente hatte eine Eingebung.

»In der Kanzlei Ihres Anwalts?«

Dreesen grinste sie selbstgefällig an.

»Ja, ich habe anlässlich meines vierzigsten Geburtstags einen Sektempfang in der Kanzlei gegeben. Es waren 100 Leute geladen, vorwiegend Mandanten.«

»Und Ihr Mann war nicht dabei?«, wandte sie sich an Svea Larsen.

»Nein, er hatte einen Notartermin mit dem Käufer eines Hauses hier in Westerland.« 

»Sie sind der Einladung also allein gefolgt?«

»Sie können mich ruhig verurteilen, aber meine Ehe ist schon lange gescheitert und ich habe mich nach Liebe und Aufmerksamkeit gesehnt, die ich bei Torben gefunden habe!«

Bente ging nicht darauf ein, sie verurteilte Svea Larsen nicht.

»Weiß Ihr Mann von Ihrem Verhältnis?«

»Ich habe es ihm gestern Abend gesagt.«

Das hatte Benno Larsen ihr heute Morgen verschwiegen! Warum?

»Und wussten Sie von dem Verhältnis Ihres Mannes zu Juliette?«

Überrascht riss Svea Larsen die Augen auf.

»Benno und Juliette?«

»Du musst darauf nicht antworten, Svea!«, mahnte Dreesen.

»Das kann nicht sein! Juliette würde mich niemals hintergehen! Sie sehen sich auch kaum, höchstens am Wochenende. Außerdem ist sie lesbisch!«

Das Ehepaar ist sich zumindest einig, was die Homosexualität angeht. 

»Ihr Mann hat heute Morgen ausgesagt, er habe Angst vor Ihnen, weil Sie von der Affäre gewusst und ihm gedroht haben!«

»Benno? Angst? Vor mir? Ich bin es, die Angst vor ihm haben müsste, seit gestern Abend noch viel mehr!«

»Sie sagen also, Sie haben von der Affäre nichts gewusst?«

»Ja! Moment, heißt das etwa, sie ist von ihm schwanger?«

»Halten Sie es für möglich, dass Juliette ihren Mann erpresst?«

Svea Larsen sah auf irgendeinen imaginären Punkt an der Blechwand. Es war deutlich, dass sie ihre Antwort sorgsam abwägte.

»Oder vielleicht Sie?«, unterbrach Bente das Schweigen.

»Was?«

»Nicht antworten, Svea!«, schaltete sich Dreesen wieder ein.

»Hat Juliette Sie gestern Morgen damit konfrontiert und kam es daraufhin zum Streit?«

Bente hoffte, endlich etwas Bewegung in die Sache zu bringen.

»Juliette würde mir so etwas niemals antun, nein!«

Warum passte in diesem seltsamen Vermisstenfall nichts zusammen? 

Bentes Gedanken wurden von Heike unterbrochen, die kopfschüttelnd in das Besprechungszimmer zurückkehrte.

»Nichts. Im ganzen Auto ist keine Perücke oder Sonnenbrille oder Käppi zu finden!«

»Das kann nicht sein!«, rief Svea Larsen ungläubig.

»Es ist in einem kleinen Rucksack unter der Reserveradabdeckung!«

»Nein, dort ist kein Rucksack.«

Ohne näher darauf einzugehen, überreichte Bente Heike den Zettel mit Namen und Handynummer.

»Versuch bitte, ihn zu erreichen!«

Heike verließ den Raum wieder.

Jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen, um die Bombe platzen zu lassen.

»Was glauben Sie, weshalb Juliette verschwunden ist?«

»Ich weiß es nicht, vielleicht hat Benno sie …«

»Ihr Mann könnte was gemacht haben, Frau Larsen?«

»Sie machen mich ganz verrückt! Ich meine, wenn sie von ihm schwanger ist, dann hat er sie vielleicht mit Geld abgefunden und in den Zug gesetzt!«

»Oder sie liegt irgendwo in den Dünen vergraben?«

Mit einem spitzen Aufschrei schlug Svea Larsen die Hände vors Gesicht.

»Äußern Sie bitte nicht solch haltlose Vermutungen! Das alles nimmt meine Mandantin emotional sehr mit, das sehen Sie doch!«

Genau das ist meine Absicht!

»Weshalb haben Sie die Polizei gerufen, Frau Larsen?«

»Bitte?«

»Weil Sie jetzt, da Sie wissen, dass Juliette wahrscheinlich von Ihrem Mann schwanger ist, vermuten, dass er sie in den Zug setzte und mit Geld abgefunden hat!«

»Das wusste ich doch gestern Morgen nicht!«

Sie wurde zunehmend nervöser, was Bente mit Wohlwollen zur Kenntnis nahm.

»Sie haben Angst, dass ihr etwas zugestoßen ist, richtig? Deshalb haben Sie die Polizei gerufen. Sie hatten eine Ahnung, oder?«

»Sie hat sich Sorgen wegen der blutverschmierten Strickjacke gemacht und deshalb angerufen!«

Maik Dreesen beantwortete die Frage für seine Mandantin und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. 

Dankbar lächelte sie ihn an. Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Dies war der richtige Zeitpunkt für Bentes Joker.

»Juliette Durand ist tot!«

Sie ließ die Worte wirken.

Svea Larsen brach prompt in Tränen aus und ihr Gesicht wurde aschfahl.

»Was?«

»Du sagst ab jetzt kein Wort mehr, Svea!«

Erwartungsgemäß sprang Dreesen auf und zog seinen Mantel an.

»Wir gehen! Jetzt!«, wandte er sich an seine Mandantin.

»Frau Kommissarin, wir machen von unserem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Auf Wiedersehen!«

Svea Larsen erhob sich langsam. Sie zitterte.

»Wie ist sie gestorben?«, schluchzte sie.

Bentes Menschenkenntnis und 20-jährige Erfahrung als Polizistin sagten ihr, dass die Überraschung echt war. Jetzt kam es darauf an, wie sie auf Juliettes falsche Identität reagierte.

»Sie ist bereits vor 5 Jahren gestorben.«

Langsam senkte Svea Larsen die Hände und starrte Bente verwirrt an.

»Vor 5 Jahren? Was soll das heißen? Gestern war sie….«

Bente unterbrach sie.

»Ihr Au-pair-Mädchen hat sich als die verstorbene Juliette Durand ausgegeben.«

»Das verstehe ich nicht! Sie hat doch einen Pass und die Agentur…?«

»Die echte Juliette Durand liegt auf einem französischen Friedhof begraben. Der Reisepass ist seit 5 Jahren ungültig! Wir wissen noch nicht, wie Ihr Au-pair-Mädchen in den Besitz dieses Dokumentes gekommen ist.«

Svea Larsen begann zu begreifen, dass sie ihre Tochter einer Betrügerin anvertraut hatte. Dass sie ihr Haus mit einer Person geteilt hatte, von der sie nichts wusste.

»Warum?«

Auf diese Frage suchte auch Bente eine Antwort.

»Frau Larsen, wie sind Sie auf Juliette Durand gekommen? Wessen Idee war es, ein Au-pair-Mädchen einzustellen?«

Sie starrte Bente immer noch fassungslos an.

»Ich weiß nicht, wir haben von der Agentur ein Schreiben erhalten und… Es war Benno. Er hatte mit dieser Agentur Kontakt aufgenommen!«

Sie sah zu ihrem Anwalt.

»Was hat das alles zu bedeuten, Maik?«

»Das weiß ich nicht, aber wir sollten auf jeden Fall gehen! Jetzt!«

»Wer hat Juliette letztlich ausgesucht?«, fragt Bente, während Svea Larsen sich ihre Jacke anzog.

»Benno hatte die Vorauswahl getroffen und vorgeschlagen, Juliette kennenzulernen. Wenn es nicht gepasst hätte, wäre sie wieder zurückgefahren!«

Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper und sie lief hektisch zur Tür.

»Jördis! Ich muss sofort zu meiner Tochter!«

Sie stürmte hinaus auf den Parkplatz.

Maik Dreesen folgte ihr auf dem Fuße, wurde aber von Bente noch einmal zurückgehalten.

»Sie müssen sich entscheiden, wen Sie ab jetzt vertreten.«

»Ich bin schon der Anwalt von Sveas Familie gewesen, bevor sie geheiratet hat. Sie ist meine Mandantin!«

Er schloss die Tür und Bente ließ sich stöhnend auf ihren Stuhl fallen.

»Hat uns das jetzt irgendwie weitergebracht?«, fragte sie Hansen, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte. 

»Die Larsen wirkt echt, da brodelt es in der Ehe, aber sie ist voll auf ihre Tochter und diesen Politiker fixiert. Kann mir nicht vorstellen, dass sie was mit dem vermissten Mädchen zu tun hat. Was denkst du?«

»Ich glaub auch, aber vielleicht ist sie ne gute Schauspielerin? Auf jeden Fall ist der Anwalt n Kotzbrocken, aber das bringt der Berufsstand wohl mit sich!«

Hansen lachte verhalten, als Heike die Tür aufriss.

»Torben Niemann geht nicht ans Telefon, also habe ich sein Sekretariat angerufen und gesagt, es gehe um Svea Larsen, er möchte mich bitte zurückrufen. Er sei in einer Sitzung, sagte die Sekretärin, aber ich hatte kaum aufgelegt, da rief sie schon zurück und sagte, dass Herr Niemann sich anwaltlich vertreten lasse. Der hat doch die ganze Zeit neben dem Telefon gestanden! Von wegen Sitzung!«, berichtete sie aufgeregt.

Zumindest ist er nicht auch noch vermisst!

»Aber nun ratet mal, wer sein Anwalt ist!«

Heike strahlte voller Vorfreude. Sie hatte diesen Teil der Vernehmung in Svea Larsens Auto nach dem Rucksack gesucht und tat Bente leid. Bevor sie Hansen zurückhalten konnte, grummelte er in seinen Bart:

»Maik Dreesen.«

Heike stampfte enttäuscht mit dem Fuß auf.

»Spielverderber!«

In Kooperation mit der Krimi-Autorin Krinke Rehberg präsentieren wir Ihnen den fesselnden Syltkrimi Dünengrab in mehreren Teilen. Jeden Samstag erscheint morgens ab 8.00 Uhr ein neuer Teil, des SyltKrimis. Lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sich mitreißen und verpassen Sie Woche für Woche keine Folge des SyltKrimis. 

Weiter geht es in Teil 12 SYLTKRIMI Dünengrab am kommenden Samstag. 

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