Es war ein herrlicher Nachmittag, die Sonne schien, und ich hatte mir vorgenommen, in meinem Lieblingscafé auf der Insel einen Cappuccino zu genießen. Doch als ich die Rechnung mit meiner EC-Karte bezahlen wollte, lächelte mich der Kellner mit einem süffisanten Grinsen an und sagte: „Nur Bares ist Wahres!“ Ah, der Klassiker! Ein Satz, der so tief in unsere Kultur eingebrannt ist wie der Geruch von verbranntem Toast. Ich werde auf den DinA4-Zettel am Fenster aufmerksam gemacht. „Keine Kartenzahlung“.
Aber warum nur Bares? Sind wir nicht längst in der Zukunft angekommen, wo selbst die Parkuhr uns freundlich zublinkt und sagt: „Kontaktlos? Kein Problem!“? Während sich die Welt um uns herum in den hyperschnellen Modus des digitalen Bezahlens begibt, scheint sich in diesem kleinen Café die Zeit auf wundersame Weise zurückgedreht zu haben. Hier herrscht Bargeldkultur – und zwar aus Überzeugung.
Die Gründe für den Bares-Kult
Klar, die Argumente liegen auf der Hand, oder besser gesagt, in der Geldbörse. Bargeld ist anonym, schnell und unkompliziert. Oder etwa nicht? Doch wenn ich ehrlich bin, ist das einzige, was schnell geht, mein Puls, wenn ich merke, dass ich mal wieder keinen einzigen Cent dabei habe. Denn wer trägt heute noch Bargeld mit sich herum?
Aber es gibt sie: die tapferen Verfechter des Bargelds. Sie argumentieren mit Tradition, mit Authentizität, ja, mit einer gewissen Romantik. Man könne nur mit Barem „wirklich“ bezahlen. Und – das ist der eigentliche Clou – die Steuerprüfung könne so ein Hauch von Mystik bewahren. Denn wo keine digitale Spur, da kein Problem. Dass das Finanzamt diese Logik nicht so prickelnd findet, versteht sich von selbst.
Die Kasse – Ein Paralleluniversum
Doch betrachten wir die Situation mal aus der Perspektive des Gastronomen. Eine Kasse, die Bargeld akzeptiert, hat eine gewisse Magie. Sie klimpert, sie klappert und bietet kreative Spielräume für jede Buchhaltung. Ein „verlorener“ Bon? Kein Problem. Die kleine Schublade mit den Münzen hat schon so manchen Steuerberater ins Grübeln gebracht. Man muss ja flexibel bleiben.
Und Hand aufs Herz: Ist es nicht irgendwie sympathisch, dass in einer Welt, die uns immer gläserner macht, ein kleines Café sich gegen die digitale Überwachung stemmt? Es ist wie ein moderner Robin Hood – allerdings ohne die Sache mit den Armen.
Der Kunde – Opfer oder Held?
Natürlich gibt es auch die Kehrseite. Der Kunde wird zum unfreiwilligen Zeitreisenden. Während seine Mitmenschen mit einer eleganten Bewegung ihre Karte zücken und im Vorbeigehen zahlen, steht er vor der Theke und zählt mühsam Kupfergeld zusammen. Manchmal möchte man dem Kellner zurufen: „Leute, das ist kein Western, das ist das 21. Jahrhundert!“
Aber vielleicht bin ich zu hart. Vielleicht liegt in der Weigerung, Karten anzunehmen, ein tieferer Sinn. Vielleicht ist es ein Statement gegen die Konsumgesellschaft, ein stiller Protest gegen die Übermacht der Banken. Oder vielleicht – und das ist die wahrscheinlichste Erklärung – hat einfach niemand Lust, die Gebühren für die Kartenlesegeräte zu bezahlen.
Zum Nachdenken
Egal, wie man es dreht und wendet, die Philosophie „Nur Bares ist Wahres“ lässt Raum für Interpretationen. Ist es ein Rückfall in die Vergangenheit oder ein heroischer Versuch, der digitalen Gleichschaltung zu entkommen? Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen. Fest steht nur: Das nächste Mal nehme ich einen Schein mit – zur Sicherheit.
Aber jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss kurz zur Bank. Der Cappuccino war köstlich, und der Kellner wartet sicher noch auf sein Trinkgeld. Natürlich in bar. Aber ein Bewirtungsbeleg werde ich mir geben lassen.
Ein freier Beitrag von Satire Kurt.
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