Werte Leserinnen und Leser, wir kennen es alle: Ein drohender Sturm ist für viele Redaktionen eine willkommene Gelegenheit, Schlagzeilen zu produzieren, Klicks zu generieren – und ein wenig Angst zu verbreiten. „Orkan zieht auf!“, „Chaos an den Küsten!“, „Sylt wappnet sich!“ – Überschriften, die nach Dramatik klingen, sich gut verkaufen und sich hervorragend teilen lassen.
Als nun der Sturm „Joshua“ angekündigt wurde, schien die Sache klar: eine sichere Steilvorlage für alle, die von Sensation leben. Reporter fuhren an die Deiche, Kameras wurden in Position gebracht, und in den Redaktionssystemen lagen bereits die Entwürfe für die großen Schlagzeilen bereit.
Doch der Orkan blieb aus.
Was folgte, war ein journalistisches Dilemma. Die Windgeschwindigkeiten lagen über dem Durchschnitt, ja – aber sie rechtfertigten kaum das, was mancherorts bereits als „Jahrhundertsturm“ angekündigt worden war. Der Himmel blieb grau, das Meer aufgewühlt, aber die Katastrophe fiel aus.
Stattdessen tauchten in manchen Onlineartikeln alte Bilder auf – von vergangenen Sturmfluten, überfluteten Promenaden und eingestürzten Buhnen. Bilder, die dramatisch wirken, aber mit den aktuellen Ereignissen herzlich wenig zu tun haben. Ein Sturm im Wasserglas also – doch einer, der sich bestens inszenieren ließ.
Und so zeigte sich einmal mehr, wie sehr viele Medien auf das Spektakel angewiesen sind. Denn was passiert, wenn das Spektakel ausbleibt? Dann fehlt der Stoff, der die Klickzahlen füttert. Dann bleibt die Meldung, die nüchtern wäre, kaum berichtenswert: „Leichter Sturm, keine nennenswerten Schäden.“ Zum Glück ist nichts passiert.
Aber diese Überschrift verkauft sich nicht.
Also wird aus dem mäßigen Wind eine bedrohliche Böe, aus auflaufendem Wasser eine Sturmflut, und aus meteorologischer Normalität ein Drama. Nur – die Resonanz blieb diesmal aus. Vielleicht, weil die Menschen längst spüren, wenn Übertreibung den Platz der Information einnimmt. Vielleicht, weil man sich an den medialen Alarmzustand gewöhnt hat.
Joshua war also nicht der große Orkan. Er war vielmehr ein Symbol – dafür, wie Berichterstattung zunehmend in der Erwartung des Spektakulären verharrt. Und dafür, dass echte Information leiser daherkommt als jede Schlagzeile.
Vielleicht wäre es ehrlicher, einfach einmal zu schreiben:
„Es wehte – und das war’s.“
Bevor sie vorschnell eine Email schreiben um mir zu Wiedersprechen, beachten Sie, dass ich allein von Joshua auf Sylt schrieibe.



