Oder: Wenn Netzwerken zum Ausdauersport wird
Inhaltsverzeichnis
Intro
Man kennt sie. Oder man lernt sie zwangsläufig kennen.
Diese Klientel, die auf Sylt nicht lebt, sondern zirkuliert.
Wir sprechen ausdrücklich nicht von materiell armen Menschen.
Nein. Eher von pensionierten Pärchen, ehemaligen Architekten, Beratern im Unruhestand – akademisch geschniegelt, gesellschaftlich eingearbeitet, oft mit eigenen Häusern oder Wohnungen nicht nur auf Sylt, einer überdurchschnittlich hohen Rente, stets mit einem Dr. vor dem Namen und einem Zertifikat, das niemand mehr überprüft.
Sie sind überall.
Wo Eröffnung ist, sind sie da.
Wo Champagner fließt, stehen sie schon vorher.
Wo „exklusiv“ draufsteht, kennen sie jemanden, der jemanden kennt, der „das möglich machen kann“.
Kein Zufall, sondern Disziplin
Für sie ist es kein Zufall, es ist Disziplin.
Ein Sport.
Sylt-Durchfuttern als Leistungsschau.
Sie sprechen perfekt das Idiom der vermeintlichen Zielgruppe:
Eloquent, interessiert, zustimmend nickend.
Sie können über Kunst reden, über Architektur, über Märkte, über „spannende Konzepte“.
Sie wissen genau, wann man „total wichtig“ sagt und wann „wir müssen uns unbedingt mal zusammensetzen“.
Und dann sitzen sie da.
Lassen sich bedienen.
Genießen das absolute Rundumservice.
Trinkgeld? Fehlanzeige.
Außer Spesen nichts gewesen
Nur leider:
Für den Gastgeber bleibt am Ende des Abends exakt nichts.
Außer Spesen.
Und der leisen Erkenntnis, dass wieder einmal viel gesprochen, genickt, gelächelt – und exakt nichts bewegt wurde.
Natürlich:
Kleine Marketing-Events sind wichtig.
Kontaktpflege. Kinderpflege, sozusagen – für potenzielle Neukunden.
Aber genau diese Klientel bringt keine potenziellen Kunden mit.
Sie bringen nur sich selbst. Und Appetit.
Sie konsumieren Atmosphäre.
Sie leben von Einladungen.
Sie nähren sich von Aufmerksamkeit.
Augen auf bei der Gästeauswahl
Fair ist das nicht.
Denn der Gastgeber zahlt alles:
Location, Getränke, Personal, Idee, Hoffnung.
Und bekommt als Gegenwert:
„Lass uns unbedingt in Kontakt bleiben.“
Denn nicht jeder, der geschniegelt daherkommt, ist Zielgruppe.
Manche sind einfach nur sehr gut darin, sich durchs Leben –
und durch Buffets – zu essen.
Und vielleicht erklärt das noch etwas
Am Ende klärt diese Beobachtung womöglich eine ganz andere, lange unbeantwortete Frage:
Warum eigentlich liegen so viele hochkarätige Events auf Sylt ausgerechnet am selben Abend?
Vielleicht ist es kein Zufall.
Vielleicht ist es Strategie.
Denn wenn mehrere Einladungen parallel stattfinden, ist jene Klientel beschäftigt.
Dann wird gehoppt statt verharrt.
Ein Glas hier, ein Häppchen dort, ein kurzes „Wunderschön bei euch“ – und weiter.
Eventhopping statt Festsetzen.
Bewegung statt Breite.
Für den Gastgeber bedeutet das zwar weniger Tiefe,
aber immerhin eines:
Die Durchfutterer bleiben nicht lange.
Und manchmal ist genau das
der größte Erfolg eines Abends.



