Montag, November 3, 2025

Zwischen Kupferkanne und Kartenzahlung

Warum sich Nostalgie und Fortschritt auf Sylt nicht ausschließen.

Die Liebe zur Routine – und was sie über uns erzählt

Es gibt sie, diese Momente, in denen man das Gefühl hat, die Zeit sei stehen geblieben. Ein Stück Kuchen in der Kupferkanne, der Fisch bei Gosch, der Spaziergang um die Hörnum Odde – das alles hat etwas Tröstliches. Es sind Rituale, die man nicht einfach besucht, sondern beinahe zelebriert. Wie eine Reise in die 80er und 90er Jahre, als vieles noch ein bisschen überschaubarer schien.

Wer diese Jahrzehnte bewusst erlebt hat, erinnert sich: Man hielt, was man versprach. Man kam pünktlich, verließ sich auf Routinen – und genau diese Verlässlichkeit prägt bis heute das, was viele an Sylt lieben. Sie steckt im Duft der Friesentorte, im Klang des Windes über den Dünen, im Wiedersehen alter Bekannter, die seit Jahrzehnten an denselben Tischen sitzen.

Und ja – auch die kleinen Dinge gehören dazu: Bendix’ Düsen, die Inselbahn, das Geräusch der Schiffe, wenn sie zu den Seehundsbänken hinausfahren. All das ist Teil einer kollektiven Erinnerung, eines Lebensgefühls, das man nicht in Megabyte messen kann.

Der Fortschritt klopft an – leise, aber bestimmt

Doch so sehr wir diese Routinen schätzen – sie sollten uns nicht blind machen für das, was die Gegenwart verlangt. Denn Nostalgie darf kein Vorwand sein, Fortschritt zu verweigern.

Es mag charmant wirken, wenn ein Café nur Bargeld akzeptiert. Vielleicht erinnert es an eine Zeit, in der der Geldschein noch nach Leder roch und man seine Münzen klimpernd auf den Tresen legte. Aber in einer Welt, die nach Transparenz, Effizienz und Sicherheit verlangt, wirkt diese Haltung zunehmend aus der Zeit gefallen.

Dass man auf Sylt vielerorts noch immer nicht mit Karte zahlen kann, mag für den einen folkloristisch anmuten – für den anderen ist es schlicht unpraktisch. Technischer Fortschritt ist kein Angriff auf unsere Werte. Er bedroht nicht das, was uns ausmacht. Im Gegenteil: Er kann helfen, die Dinge, die wir lieben, zu bewahren – und gleichzeitig den Alltag leichter zu machen.

Die Haltung von damals – für das Heute bewahren

Wer die 80er und 90er als „die gute alte Zeit“ bezeichnet, meint oft gar nicht die Technik, sondern das Miteinander. Den Handschlag, das Wort, auf das man sich verlassen konnte. Das ist etwas, das auch im digitalen Zeitalter nichts an Wert verloren hat.

Vielleicht liegt die Kunst darin, beides zu verbinden: die Haltung von damals mit den Möglichkeiten von heute. Sich Neuem nicht zu verschließen – und trotzdem zu wissen, wo man herkommt.

So wie man nach einem Spaziergang durch Kampen noch immer in die Kupferkanne einkehrt, weil dort alles so ist, wie es immer war – nur dass man den Kaffee inzwischen eben auch mit Karte bezahlen kann.

Das könnt Sie auch interessieren:

Stefan Kny
Stefan Kny
Stefan Kny ist Verleger, Journalist und Chefredakteur. Auf syltexklusiv.com schreibt er mit Begeisterung über das, was ihn bewegt: von Ausstellungen und Autotests bis hin zu neuen Themenwelten, die auf Sylt beginnen – oder dort ihre ganz eigene Tiefe entfalten.

Das könnte Sie auch Interessieren!

Sylt Exklusiv Newsletter

Jetzt kostenlos anmelden und exklusives Sylt-Insiderwissen direkt in Ihr Postfach erhalten!
Verpassen Sie keine Neuigkeiten, Events oder Highlights mehr.

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Sylt Exklusiv WhatsApp

Sei immer einen Schritt voraus! Tägliche Updates: Events, Termin & echte Insider-Tipps – direkt in dein WhatsApp!

JETZT EINTRAGEN!
spot_img

NEUESTE BEITRÄGE