In unserem Fortsetzungskrimi geht es heute mit Teil 17 von Dünengrab weiter. Hier startet der Fortsetzungskrimi.
»In Benno Larsens Wagen haben wir den Reisepass von Juliette Durand gefunden!«
Klemme hielt einen Plastikbeutel hoch, in dem der französische Pass war.
»Er ist, soweit wir es sagen können, echt.«
Heike blätterte in ihrem Ordner.
»Juliette Durand wäre heute 31 Jahre alt.«
»Irgendetwas stört mich an der Geschichte mit dem französischen Reisepass. Ich kann nur noch nicht sagen, was. Es ist wie ein fehlendes Puzzleteil, das in meinem Gehirn verloren gegangen ist!«
Bente kratzte sich nachdenklich am Kinn.
Das Team saß eng beieinander um den Tisch in dem kleinen Besprechungsraum.
»Ihr Handy haben wir auch! Ich habe die Wohnung in dieser grünen Villa in der Steinmannstraße ausfindig gemacht.«
Heike hält zwei Ausdrucke in den Händen.
»Die Wohnung gehört Benno Larsen…, äh… gehörte Benno Larsen.«
Sie schluckte trocken.
»Die SpuSi ist gerade dort. Sieht so aus, als hätten Juliette und Larsen sich in dieser Wohnung heimlich getroffen. Das Handy können wir noch nicht auswerten, weil es passwortgeschützt ist, aber wir arbeiten dran. Außerdem habe ich den Anwalt Maik Dreesen informiert. Er ist auf dem Weg hierher.«
»Gute Arbeit, Heike. Timme, was hast du?«
Hansen saß am Ende des Tisches, schwieg und hörte zu.
»Wir haben eine Rekonstruktion des Tathergangs angefertigt.«
Timme stand auf und heftete ein Blatt an das Clipboard.
Auf der Skizze war das Larsen-Haus mit Garten und Umgebung eingezeichnet.
Zwei Kreuze markierten den Fundort der beiden Leichen, ein weiteres Larsens Wagen.
»Larsen muss sich ins Haus geschlichen und die Sicherungen ausgedreht haben. Oben im Schlafzimmer seiner Frau kam es zum Kampf zwischen den Eheleuten, bevor er sie mit Chloroform betäubte. Einen Strick, den er mitgebracht haben muss, denn im Auto haben wir ebenfalls Fasern dieses Seiles gefunden, hat er seiner bewusstlosen Frau um den Hals gelegt und sie übers offene Dachgebälk hochgezogen. Sie ist erstickt.«
Timmes nüchterner und sachlicher Tonfall ließ die Tat genau in dem Licht erscheinen, die sie war. Brutal, heimtückisch und niederträchtig.
»Ich bin froh, dass sie nichts gespürt hat!«, meldete sich Heike zu Wort.
»Hat sie doch nicht, oder?«
Prüfend sah sie von Hansen hinüber zu Bente und wieder zurück.
Hansen schloss die Augen und schüttelte sanft den Kopf.
»Der Notruf ist um 0:33 Uhr eingegangen. Die Streife war um 0:42 Uhr vor Ort und gefunden habt ihr sie um 0:48 Uhr. Larsen muss von euch überrascht worden sein, hat sich in der Einliegerwohnung hinter der Garage versteckt und ist von dort in den Garten geflüchtet.«
Timme fuhr mit einem Bleistift die gestrichelten Linien auf der Zeichnung nach.
»Nielsen hat ihn gesehen und ist hinterher. Brodersen und Eggers sind kurz danach ebenfalls im Garten gewesen. Es war wirklich stockfinster gestern Nacht.«
Bente stockte kurz und sah nachdenklich in die Luft.
»Um ein Haar wäre ich in das ausgehobene Grab gestürzt! Danke nochmal, Eggers!«
Sie sah zu dem Kollegen, der sie mit festem Griff in ihren Ärmel gehalten hatte.
»Das ist der Punkt. Es war so dunkel, dass Larsen das Grab, was er zuvor selbst ausgeschaufelt hatte, in seiner Panik übersah und so unglücklich stürzte, dass sein Kopf auf einen Stein aufschlug. Er muss sofort tot gewesen sein. Das nennt man Karma!«
Timme endete genauso abrupt, wie er begonnen hatte.
Bente nahm eine Mappe vom Tisch, holte die Fotos der Leichen hervor und warf sie quer über den Tisch.
»Wer kann sich darauf einen Reim machen?«
Alle starrten auf die Bilder, nur Heike drehte sich weg. Sie hatte Schwierigkeiten damit, die Fotos der Toten zu betrachten.
Ulrike kam unterm Tisch hervor und schnupperte mit ihrer feuchten Hundenase an jeder Hosentasche, in der Hoffnung auf ein Leckerli.
Bei Hansen hatte sie Erfolg.
»Braves Mädchen!«
Er streichelte ihr über den Kopf und sie legte sich auf seine Füße.
»Warum bringt Larsen seine Frau um?«
Bente sah in die Runde.
»Er möchte, dass es aussieht wie Selbstmord. Sie war emotional aufgewühlt, hatte wegen des Alibis gelogen, wusste von der Affäre ihres Mannes und vielleicht hatte sie sogar das Au-Pair-Mädchen auf dem Gewissen? Eifersucht als Motiv, würde ich sagen.«, stellte Klemme seine Theorie vor.
»Sie hatte selbst eine Affäre. Eifersucht als Motiv ist in diesem Fall ziemlich schwach.«
Bente war nicht überzeugt.
»Was war sein Motiv?«
»Geld? Svea Larsen war sehr vermögend, ich meine, richtig reich. Geldgier ist seit Menschengedenken ein Mordmotiv!«, sagte Klemme und sah seine Kollegen an, die zustimmend nickten.
»Wir sollten den Anwalt nach dem Testament, beziehungsweise der Erbfolge, befragen. Vielleicht bringt das Licht in die Angelegenheit. Aber letzten Endes ist die Sache doch vollkommen klar! Er hat sie getötet und war im Nachhinein einfach zu doof, um lebend davon zu kommen!«
Klemmes Logik klang einleuchtend, aber Bente schüttelte den Kopf.
»Die ganze Sache stinkt zum Himmel!«, rief sie, sprang auf und stützte ihre Hände auf dem Tisch ab.
»Klemme, stell dir vor, du bringst deine Frau um und lässt es wie Selbstmord aussehen…«
»Bist du verrückt, Brodersen? Wenn Klemmes Frau rauskriegt, dass er das hier durchspielt, dann schläft er bis Weihnachten in der Garage.«, warf Hansen ein. Er kannte Klemmes Frau.
»Dann nehmen wir eben dich, Hansen!«
»Ich soll meine Frau umgebracht haben?«
Bente nickte.
»Was passt nicht zusammen?«
Sie sah den alten Kommissar erwartungsvoll an.
»Ich dachte schon, du kämst nie drauf, Brodersen!«
Die Kollegen sahen unsicher zwischen ihrem alten Kommissar und der neuen Kommissarin hin und her.
Bente wartete geduldig.
»Das Grab!«
Heike schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn.
»Natürlich! Das Grab! Wenn er einen Selbstmord seiner Frau vortäuschen will, wozu hebt er dann ein Grab aus?«
Hansen und Bente atmeten erleichtert aus.
»Genau! Deswegen ist die Sache noch nicht zu Ende. Wir haben zwei Leichen, aber das Grab war für jemand anderen bestimmt!«
Die Kollegen stöhnten auf.
»Außerdem…«
Bente war noch nicht fertig.
»Wer von euch wohnt hier auf Sylt?«
Alle hoben die Hand, nur ein Kollege murmelte was von Niebüll.
»Habt ihr schon mal ein Loch gegraben und einen Busch eingepflanzt oder mit den Kindern gebuddelt?«
Irritiert folgten alle Bentes Ausführungen und nickten zögernd.
»Sylt ist keine reine Sandinsel, so wie die ostfriesischen Inseln, sie besitzt einen sogenannten Geestkern, der die Inselmitte stützt. Daher auch das Rote Kliff, das aber kein richtiges Felsgestein ist.«
»Ich versteh nur Bahnhof!«, stöhnte Klemme.
Bente zeigte auf das Foto von dem leblosen Benno Larsen in der Grube.
»Es gibt auf Sylt keine solchen Steine im Boden!«
Sie tippte mit dem Finger auf das Foto.
»Larsen hätte sich auch den Hals brechen können, wenn er im vollen Lauf in das geschaufelte Grab gefallen wäre, aber hier hat jemand nachgeholfen! Der Stein lag nie und nimmer in dem Loch. Den hat jemand auf ihn geworfen!«
Es war mucksmäuschenstill in dem Besprechungszimmer.
Heike schob das Tablet mit dem Foto von Larsens Anwesen über den Tisch.
»Das Haus hat zwar keine Zäune, aber eine natürliche Einfriedung durch das kniehohe Heidekraut. Es gibt einen Trampelpfad vom Garten zum Dünenweg.«
Heike zeigte auf den klar erkennbaren, ausgetretenen Weg.
»Genau dort ist das Loch ausgehoben worden!«
»Das muss ja einer geplant haben!«
»Schlaumeier, Klemme!«
»Wer immer das geplant hat, musste sicherstellen, dass Larsen in Panik gerät und flüchtet.«
»Der Anruf!«
»Korrekt!«, erwiderte Bente.
»Wer immer das geplant hat, muss von Larsens Plan, seine Frau zu ermorden, gewusst haben.«
»Klar, er ruft die Polizei, aber wie kann er sicherstellen, dass Larsen den Weg hinausläuft? Er hätte doch auch nach vorn oder zu den Nachbarhäusern flüchten können?«, dachte Heike laut.
»Und dann muss derjenige ja unmittelbar an dem Loch gestanden haben, um ihn mit dem Stein zu erschlagen!«
»Oder diejenige!«, half Bente ihr auf die Sprünge.
»Juliette Durand!«, staunte Heike mit offenem Mund.
»Das Au-pair-Mädchen! Juliette Durand hat vor 5 Jahren Selbstmord begangen.«
Bente sah zu Hansen, der zufrieden schien.
»Von wo kam der Notruf?«
»Der Anruf kam vom Nachbarhaus, Moment.«
Heike blätterte zwischen den Ausdrucken.
»Frau Sellering?«
Bente würde es nicht wundern, wenn ausgerechnet sie angerufen hätte.
»Nein, ein Herr Markmann. Er hat eine der Ferienwohnungen gemietet.«
Die nächsten Minuten herrschte Schweigen im Besprechungsraum. Jeder spielte die Theorie in seinem Kopf durch.
»Das alles musste penibel genau geplant werden!«, gab Timme zu bedenken.
Hansen räusperte sich vom Ende des Tisches.
»Planung ist kein Fremdwort für eine Frau, die mit falschem Pass ein halbes Jahr Au-pair-Mädchen bei der Familie ihres Geliebten spielt, oder?«
Bente nickte Timme auffordernd zu. Er überlegte und ergriff dann wieder das Wort.
»Sie könnte Larsen gesagt haben, dass sie mit dem Wagen auf dem Dünenweg auf ihn wartet. Dann hätte sie nur in der Dunkelheit an dem Loch stehen müssen.«
»Okay!«, mischte Heike sich ein.
»Wie lange bräuchte ich, um eine solche Grube auszuheben?«
»Na, ja, es ist nur Sand, aber fast 1 Meter tief, da bist du schon an die zwei Stunden beschäftigt!«
Klemme zog die Stirn in Falten bei seiner Schätzung.
»Wir sollten uns nicht darauf versteifen!«, mahnte Bente.
Sie wollte, dass die Kollegen in alle Richtungen dachten.
»Da ist noch Torben Niemann, der sich weigert, mit uns zu reden und aus irgendeinem Grund ausgerechnet vorgestern nicht zum obligatorischen Schäferstündchen erschienen ist. So hatte es jedenfalls Svea Larsen dargestellt. Frau Sellering finde ich persönlich anstrengend, aber wir sollten sie noch einmal befragen! Und dann ist da noch Maik Dreesen, der Anwalt von allen, die in diesem Fall eine Rolle spielen!«
»Wenn man vom Teufel spricht…«, seufzte Hansen und zeigte auf das Fenster zum Parkplatz, wo gerade Maik Dreesen aus seinem Auto stieg.
»Okay, ihr habt alle was zu tun, los!«
Bente klatschte einmal in die Hände, rief Ulrike von Hansen ab, um sie unter den Tisch zu schicken und stellte sich mental auf den Anwalt ein.
»Heike, kümmere dich um diesen Herrn Markmann. Er muss nah am Haus gewesen sein, um bei dem Sturm letzte Nacht Schreie gehört zu haben.«
Die junge Kollegin nickte.
»Ihr beide!«
Bente wandte sich an Klemme und Timme.
»Ich will alles über Torben Niemann und Maik Dreesen wissen. Sogar, welche Zahnpasta sie benutzen, alles klar?«
Timme hob die Augenbrauen und setzte zu einer Frage an, als der alte Hansen ihn mit dem Fuß unterm Tisch anstieß und mit dem Kopf schüttelte.
In den letzten Jahren hatte er Timmes Vorzüge schätzen gelernt. Er war ein akribischer Ermittler, der jede Fleißaufgabe hervorragend erfüllte, aber das Stellen von intelligenten Fragen gehörte nicht zu seinen herausragenden Fähigkeiten.
»Und ich will wissen, in welcher Verbindung die beiden zueinanderstehen. Sind sie befreundet oder nur geschäftlich verbunden? Welche Geschäfte?«
»Alles klar!«
»Dann wollen wir mal sehen, was Dreesen von uns will!«
Bente sah zu Hansen, der schief grinste.
»Der hat gerade zwei Mandanten an einem Tag verloren.«
In Kooperation mit der Krimi-Autorin Krinke Rehberg präsentieren wir Ihnen den fesselnden Syltkrimi Dünengrab in mehreren Teilen. Jeden Samstag erscheint morgens ab 8.00 Uhr ein neuer Teil, des SyltKrimis. Lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sich mitreißen und verpassen Sie Woche für Woche keine Folge des SyltKrimis. Wir lesen uns am kommenden Samstag mit Folge 18 wieder. Titelbild: Unis Riba/Shutterstock.com.