SyltKrimi, Dünengrab Teil 10

In unserem Fortsetzungskrimi geht es heute mit Teil 10 von Dünengrab weiter.  Hier startet der Fortsetzungskrimi.

Bente Brodersen und Benno Larsen verließen nach einer viertel Stunde das Besprechungszimmer und kehrten zu den anderen zurück. Maik Dreesen sah angespannt aus und hatte seine Gelassenheit eingebüßt.

»Ich fordere Akteneinsicht!«

Bente genoss es, die Informationen nicht mit ihm teilen zu müssen. Er würde Svea Larsen auf die bevorstehende Vernehmung vorbereiten und das galt es, zu verhindern.

»Tut mir leid, Herr Dreesen, aber da dies ein inoffizielles Gespräch zwischen ihrem Mandanten und mir war, gibt es keinen Aktenvermerk dazu.«

Dreesen wirft Benno Larsen einen verärgerten Blick zu.

»Jedenfalls jetzt noch nicht!« 

»Was soll das heißen?«

»Ich bitte Sie, Ihre Mandantin Svea Larsen zur Vernehmung herzubringen, andernfalls werden wir sie abholen!«

Dreesen wandte sich fassungslos an Benno Larsen.

»Was hast du getan?«

Larsen zuckte nur mit den Schultern und schickte sich an, zu gehen.

»Sie halten sich bitte zur Verfügung, Herr Larsen und verlassen die Insel vorerst nicht.«

»Dazu haben Sie kein Recht!«, rief Dreesen aufgebracht.

»Ist schon gut, Maik.«

Was auch immer Larsens Beweggründe waren, sie brachten den Fall ins Rollen.

»Wir erwarten Frau Larsen um 13 Uhr, auf Wiedersehen, die Herren!«

Damit drehte sich Bente um und hielt ihnen die Tür auf. Beide Männer gingen ohne Gruß hinaus zum Auto.

»Was wird hier gespielt?«, fragte Hansen.

»Ganz ehrlich, ich weiß es nicht, aber Benno Larsen hat mir erzählt, dass er Angst vor seiner Frau hat.«

»Angst?«, spuckte Hansen verächtlich aus.

»Hat er ein Verhältnis mit dem Au-pair-Mädchen?«

»Er streitet es ab!«

»Weiß er, dass sie nicht Juliette Durand ist?«

»Keine Ahnung, ich habe es ihm nicht gesteckt. Ich will damit noch warten, bis ich weiß, was er im Schilde führt.«

»Ist sie von ihm schwanger?«

»Er behauptet nein!«

»Vielleicht hat seine Frau es mittlerweile erfahren und ihn damit konfrontiert?«

 »Ja, so war es. Sie will die Scheidung, sonst…«

»Sonst was?«

»Genau deshalb hat Larsen Angst. Seine Frau hat ihm gedroht, aber nicht konkret gesagt, worin ihre Drohung besteht.«

Der alte Hansen schüttelte den Kopf.

»Da muss doch mehr dahinterstecken!«

Bente stimmte ihm stumm zu.

»Sie hat uns angelogen. Sie war nicht im Fitnessstudio, schon seit Monaten nicht! Ich habe gerade telefoniert, die Mitglieder müssen sich anhand einer Chipkarte einchecken. Die Karte von Svea Larsen wurde zuletzt am 20. Oktober des letzten Jahres eingelesen!«, berichtete Heike stolz.

»Bingo!«, lobte Bente.

»Sie hat ein Motiv, die Gelegenheit und ein falsches Alibi!«

»Eifersucht, Affären und Beziehungsdramen sind seit Anbeginn der Menschheit Mordmotive.«

»Moment, wir haben eine Vermisstenanzeige und eine falsche Identität, aber kein Mordmotiv!«, gab Hansen zu bedenken.

»Aber wir haben ausreichend Indizien, die für eine Gewalttat sprechen. Auf alle Fälle sollten wir schnell handeln, da wir nicht wissen, wo Juliette Durand, oder wer auch immer sie ist, sich aufhält. Vielleicht benötigt sie Hilfe, wer weiß?«

Bente wandte sich an die Kollegen.

»Bis dieser Dreesen mit Svea Larsen hier eintrifft, möchte ich so viele Daten und Fakten wie möglich haben!«

Alle nickten.

»Heike, du fährst zu dem Fitnessstudio. Ich will alles wissen. Seit wann ist sie Mitglied, trainierte sie allein oder mit einem Trainer, traf sie sich dort mit Freundinnen, wie oft war sie dort und an welchen Geräten hat sie gearbeitet. Getränke, Essen, geduscht…, alles kann hilfreich sein!«

Noch während Bente redete, zog Heike sich ihre Jacke an und setzte den Fahrradhelm auf.

»Bin schon unterwegs! Mit dem Rad gehts schneller!«

»Ich will, dass ihr alle Strafzetteln der letzten Monate überprüft. Und zwar von beiden Larsens und auch von dem Motorroller, den das Mädchen nutzen darf. Wo haben sie geparkt, sind sie zu schnell gefahren, gibt es Blitzerfotos und das nicht nur von der Insel, sondern auch vom Festland!«

Klemme sah sie mit großen Augen an.

»Jetzt!«

Augenblicklich setzte er sich an den Rechner. 

»Können wir die Videoüberwachung am Bahnhof checken?«

Hansen schüttelte nachdenklich den Kopf.

»Das sind insgesamt acht Kameras, plus drei auf dem Vorplatz. Das wäre die berühmte Nadel im Heuhaufen. Wir müssen es irgendwie eingrenzen.«

»Okay, dann nehmen wir nur die vom Bahnsteig ab gestern 11:15 Uhr. Wenn Juliette Durand nicht in einen Zug gestiegen ist, befindet sie sich noch auf der Insel.«

»Was ist mit den Fähren? Von List und Hörnum fahren die täglich.«

»Die checken wir danach!«

»Das schaffen wir nicht, Brodersen. Wir müssten jede Kameraaufnahme der letzten 19 Stunden in Echtzeit ansehen. Dazu bräuchten wir eine Hundertschaft.«

»Mist!«

Bente wusste, dass Hansen recht hatte.

Es war Samstag und die Insel war trotz des Sturms voller Besucher, wie jedes Wochenende. »Wir haben so schon alle Hände voll zu tun! Es gibt Vorteile bei einer kleinen Dienststelle, aber eben auch Nachteile.«, seufzte Hansen.

»Jep, ich muss mich erst daran gewöhnen, mit viel weniger Manpower auszukommen.«

»Wat mutt, dat mutt!«

Bente konnte sich eine Frage nicht verkneifen.

»Hansen, warum bist du auf einmal so kooperativ?«

»Weil die ganze Sache wie alter Fisch stinkt! Und ich will kurz vor meiner Pension auf keinen Fall einen Anruf erhalten, dass ein totes Mädchen irgendwo in den Dünen oder am Strand liegt.«

Bente hoffte ebenfalls, dass es solch einen Anruf nicht geben würde.

»Kannst du in Erfahrung bringen, wie es um Benno Larsens Geschäfte steht? Du kennst doch hier auf der Insel Gott und die Welt!«

»Das ist wohl so! Dann geh ich mal telefonieren.«

Er schlurfte in sein bereits ausgeräumtes Büro und griff zum Telefon.

»Ich fahr noch mal nach Kampen und seh mich dort um!«, rief Bente und verließ die Wache mit Ulrike.

Im Bulli rief sie Harro Hamkens an.

»Harro?«

»Na Bente, schon Sonnenbrand?«, feixte er.

»Wusstest du, dass die Dienstwohnung hier ein Container mit kalter Dusche ist?«

Er lachte lauthals.

»Wieso Dienstwohnung? Du hast doch ein Apartment, oder?«

»Da kann ich erst Montag rein!«

»Na ja, das Budget der Polizei reicht bei den Preisen auf Sylt wohl nur für ein Wohnklo! Erzähl, was gibts?«

Bente setzte ihn kurz und knapp ins Bild.

»Hört sich nach einem Beziehungsdrama an, was jederzeit explodieren kann!«

»Oder es ist schon explodiert! Ich brauche deine Hilfe.«

»Na ja, du arbeitest nicht mehr für mich, aber worum gehts denn?«

»Du hast doch einen Kontakt bei Interpol, oder?«

»Du meinst meinen Seglerfreund bei Europol in Paris?«

»Genau den! Ich schicke dir eine Passkopie und ein paar Daten aufs Handy. Alles, was es zu dieser Juliette Durand gibt, kann wichtig sein!«

»Ich rufe ihn sofort an, aber ob das dann bei Europol so schnell geht – keine Ahnung!«

»Es ist dringend!«

»Wir sind von der Polizei, ist es das nicht immer?«

»Harro, bitte!«

Bente kannte ihren ehemaligen Chef. Er war gradlinig und oft unbequem, aber immer fair.

»Ich mach das nur, weil du die höchste Aufklärungsquote hast, die ich je bei einem Kollegen gesehen habe.«

»Du mich auch!«

Lachend beendete er das Gespräch.

Er war der Einzige, bei dem Bente nicht das Gefühl hatte, sich permanent als Frau in dem Beruf behaupten zu müssen und er mochte ihren kauzigen Humor.

Sie parkte den Bulli an der Gabelung zum Fennenweg, der auf der Rückseite des Larsenhauses durch die Heidelandschaft führte.

Ulrike sprang sofort hinaus und raste schnüffelnd von links nach rechts.

Bente brauchte Frischluft, um den Kopf durchpusten zu lassen und Ulrike wollte Auslauf.

Vor ihr erstreckte sich das schlickige Wattenmeer. Es war Ebbe und kein Wasser in Sicht. Der Himmel war aufgeklart und sie konnte einzelne Höfe auf dem gegenüberliegenden Festland erkennen.

Sie genoss den Wind und die Weite und fragte sich, weshalb Menschen wie die Larsens bei einem solchen Ausblick so unglücklich sein konnten.

Von der Entfernung aus erkannte sie die den wahren Wert des Anwesens. Es musste ein Vermögen wert sein.

Sie dachte an ihr Gespräch mit Benno Larsen.

Letzten Endes hatte er seine Frau angeschwärzt. Eine gesunde Beziehung sah anders aus! Sie würde Svea Larsen damit konfrontieren, dass ihr eigener Mann sie verdächtigte, etwas mit dem Verschwinden des Au-pair-Mädchens zu tun zu haben. Ihre Reaktion konnte Bente nicht vorhersehen. Bei der gestrigen Befragung war ihr die Frau sympathisch gewesen. Die Lüge mit dem Fitnessstudio sprach allerdings gegen sie. Irgendwas verheimlichte sie!

Die falsche Identität des Mädchens war ein Trumpf, den sie noch nicht ausspielen wollte.

Bente hatte sich gefragt, ob Svea und bzw. oder Benno Larsen davon Kenntnis hatten. Aber beide liebten ihre Tochter abgöttisch und die Sorge um das Wohl des Kindes vertrug sich nicht mit dem Wissen, dass Juliette Durant nicht der richtige Name des Mädchens war. Sich eine falsche Identität zuzulegen, war nicht nur eine Straftat, sondern wies auf ein dunkles Kapitel im Leben des Mädchens hin. Vielleicht war sie straffällig geworden und hatte für diesen Job ein blütenreines Führungszeugnis benötigt?

Alles Spekulationen! Konzentrier dich auf die Tatsachen!

Der Sandweg führte an der Rückseite des Larsenhauses vorbei. Der Strandkorb auf der Terrasse war vom Sturm umgeweht worden und lag quer über dem angrenzenden Blumenbeet. Niemand war zu sehen und Bente rief Ulrike zurück, die den Trampelpfad zum Garten entlanglief.

Als Bente weiterging, konnte sie mehrere Personen auf den Terrassen und Balkonen des Nachbarhauses beobachten, die offenbar heute angereist waren.

Sie dachte an die vergangene Nacht im Wohncontainer und beneidete die Feriengäste um ihr Domizil mit diesem fantastischen Ausblick.

Das Klingelschild mit dem Namen Sellering war unten rechts angebracht gewesen, also gehörte die Terrasse mit den zahlreichen Blumenkübeln zu Lisa Sellerings Wohnung.

Von dort war der Garten der Larsens einsehbar.

Bente ging über das Heidekraut bis zur Grundstücksgrenze und entdeckte auch hier einen Trampelpfad, der von Lisa Sellerings Terrasse direkt zu der von Svea Larsen führte. Wahrscheinlich nutzten die Freundinnen diese Abkürzung für ihre gegenseitigen Besuche.

Einige wenige Spaziergänger kamen ihr entgegen. Die meisten Touristen bevorzugten den Sandstrand an der Westseite der Insel mit den zahlreichen Dünenrestaurants.

Die Sonne brach immer öfter durch die Wolkendecke und ließ das Wattenmeer silbern glänzen.

Bente schloss die Augen und sog die salzige Luft tief in ihre Lunge.

Als sie sich umdrehte, um zurück zum Bulli zu gehen, sah sie einen Mann von dem Ferienwohnungskomplex zum Anwesen der Larsens rennen. Er verschwand in einem Nebeneingang, der in die Garage führen musste.

Bente ärgerte sich, dass sie nicht auf ihre Umgebung geachtet hatte. Sie konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, von welcher Terrasse er gekommen war. Aber von der Statur her konnte es Benno Larsen gewesen sein, der von Lisa Sellering gekommen war.

Sie blieb noch einen Moment stehen und wartete, aber es blieb ruhig.

Was habt ihr beide miteinander zu schaffen?

In Kooperation mit der Krimi-Autorin Krinke Rehberg präsentieren wir Ihnen den fesselnden Syltkrimi Dünengrab in mehreren Teilen. Jeden Samstag erscheint morgens ab 8.00 Uhr ein neuer Teil, des SyltKrimis. Lehnen Sie sich zurück, lassen Sie sich mitreißen und verpassen Sie Woche für Woche keine Folge des SyltKrimis. 

Weiter geht es in Teil 11 SYLTKRIMI Dünengrab am kommenden Samstag. 

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